TÜV - Testament - Übergabe - Vorsorge -

Vortrag im Rahmen einer Veranstaltung
des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge e. V. und des DRK
am 14.04.2010 in Tostedt

1. Einleitung (Begrüßung)

Ich bedanke mich für die Gelegenheit, zu Ihnen zu sprechen. Als mir das Thema "TÜV - Testament - Übergabe - Vorsorge" bekannt gegeben wurde, durchzuckte mich zunächst der Gedanke, ob mit TÜV so etwas wie ein "Testamenten-TÜV" gemeint war. Sollte man nicht genauso wie sein Auto sein Testament ab und zu einem "TÜV" unterziehen? Dies könnte doch eine neue Marktidee sein! (?).

Auch wenn es keine "Testamenten-TÜV-Stelle" gibt, ist doch ein Kern Wahrheit in der Überlegung. Sie wissen aus der Presse, dass sie die Rechtslage sowohl im Erbschaftsteuerrecht als auch jetzt im Erbrecht geändert hat. Vor allen Dingen ändert sich in vielen Fällen auch die familiäre und finanzielle Situation, so dass bisherige Regelungen gar nicht mehr Ihren Wünschen entsprechen. Auch überrascht uns manchmal die Rechtsprechung mit neuen Entscheidungen, die neue Überlegungen erfordern.

Ich werde Ihnen nach Möglichkeit keine juristischen Einzelheiten darstellen, sondern mich nur mit denjenigen Sachverhalten befassen, die Sie meiner Meinung nach interessieren werden. Dabei werde ich mich zunächst mit der scheinbar problemlosen Situation eines Alleinstehenden mit einem Kind befassen, dann ergänzend auf andere Situationen eingehen. Dabei werde ich zunächst Übertragungen unter Lebenden ausblenden und erst zum Schluß abhandeln.

Insgesamt werde ich versuchen, Ihnen jeweils die Hilfestellung zu geben, so dass Sie zumindest wissen,

wo Probleme entstehen können,
in welche Richtung ihre Lösung gehen könnte
und an wen Sie sich wenden sollten.

Ich möchte Sie ermutigen, während des Vortrages Fragen zu stellen, denn für mich ist wichtig, dass Sie von diesem Vortrag auch etwas mit nach Hause nehmen. Bitte haben Sie aber Verständnis dafür, dass ich hier keine Ratschläge zu Ihrem speziellen Fall erteilen werde. Eine Rechtsberatung sollte immer in einem vertraulichen Gespräch mit dem Juristen Ihres Vertrauens erfolgen - sei es ein Rechtsanwalt oder sei es ein Notar bzw. ein Anwaltsnotar. Dazu gehört ja auch, dass der gesamte Sachverhalt eingehend besprochen wird und dann im Gespräch mit wechselnden Fragen und Antworten eine Lösung entwickelt wird. Dies ist hier natürlich nicht möglich. Außerdem ist Ihr Rechtsberater Ihnen zur absoluten Loyalität und insbesondere zur Verschwiegenheit verpflichtet und übernimmt die Haftung für etwaige Beratungsfehler.

Sollten Sie Fragen allgemeiner Art haben, die die Mehrzahl der Zuhörer nicht interessiert, werden wir diese Fragen am Ende dieser Veranstaltung noch in kleinerem Kreis ansprechen können. Es muss sich dann aber jeweils nur um eine Frage allgemeiner Art handeln und - wie gesagt - nicht um die Lösung Ihres konkreten Falles.

2. Begriffe

Bevor ich in der geschilderten Weise vorgehe, also von Ihrer jeweiligen Situation aus Probleme und Lösungen anspreche, möchte ich doch noch kurz darlegen, worum es sich im Einzelnen handelt, also die Begriffe ein wenig - wenn auch unjuristisch - erklären. Es geht hier nicht nur um Testamente, sondern auch - wie gesagt - um Übergabe und Vorsorge.

Was mit einem Testament und Erbvertrag gemeint ist, weiß wohl jeder. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die Broschüre des Volksbundes "Was wird mit meinem Erbe" hin.

Unter einer Übergabe können Sie sich sicher auch etwas vorstellen, nämlich den Fall, dass Sie beispielsweise eine Eigentumswohnung oder Ihr Grundstück auf Ihre Kinder oder nahe Verwandte übertragen.

Was unter Vorsorge zu verstehen ist, ist aber nicht so sehr bekannt. Ich möchte dies daher anhand einiger Beispielen erläutern.

Dazu ein Fall:
Herr Emsig ist erfolgreicher Einzelunternehmer und verheiratet. Bei einer Geschäftsreise erleidet er einen schweren Unfall und ist für längere Zeit transportunfähig. In seinem Geschäft stehen wichtige Entscheidungen an. Die im Geschäft mit arbeitende Ehefrau geht zu einem Anwalt, um die nötigen Schritte zu ergreifen.

Der Anwalt fragt nach einer

Vollmacht.

Hat der Unternehmer seiner Ehefrau eine ausreichende Vollmacht - am besten eine Generalvollmacht - erteilt - nach Möglichkeit notariell beglaubigt oder beurkundet -, kann die Ehefrau alle erforderlichen Handlungen vornehmen und auch - sofern sie selbst dazu nicht in der Lage ist - Untervollmachten erteilen und insbesondere auch einen Geschäftsführer für die Zeit der Abwesenheit ihres Ehemannes bestellen. Gäbe es eine solche Vollmacht nicht, müsste die Ehefrau sich unverzüglich an das Betreuungsgericht wenden und einen Antrag auf Abwesenheitspflegschaft gemäß § 1911 BGB für ihren Ehemann stellen.

1. Abwandlung des Falles:

Der Ehemann erleidet einen so schweren Hirnschaden, dass er auf Dauer nicht mehr geschäftsfähig ist. Der behandelnde Arzt eröffnet der Ehefrau, dass eine Operation zwar möglich aber risikoreich ist. Auch hier kann eine besondere Vollmacht helfen. Gäbe es sie nicht, müsste gemäß § 1896 BGB eine Betreuung eingerichtet werden. Eine solche Vollmacht , die eine Betreuung vermeidet, nennt man

Vorsorgevollmacht.

Wenn eine solche Vollmacht existiert und ausreicht, um den Bedürfnissen des Herrn Emsig zu genügen, ist eine Betreuung unzulässig, denn unsere Entscheidungen als mündige Bürger gehen der staatlichen Bevormundung vor.

2. Abwandlung des Falles:

Herr Emsig ist inzwischen sehr alt geworden. Seine Frau ist verstorben. Zu seinen Kindern hat er kaum Kontakt. Er hat eine Bekannte, die sich liebevoll um ihn kümmert. Diese Bekannte muss feststellen, dass sie bei ihm neuerdings Rechnungen vorfindet, weil er an der Haustür irgendwelche Geschäfte abgeschlossen hat, die ihm nachher wieder leid tun. Sie stellt fest, dass er inzwischen zu willensschwach geworden ist, um sich gegen Vertreter, die an der Haustür klingeln und etwas verkaufen wollen, zu wehren. Geschäftsunfähig ist Herr Emsig wohl noch nicht. Er hat seiner Bekannten auch eine Generalvollmacht erteilt. Diese Vollmacht schützt ihn aber nicht, wenn er selbst irgendwelche Geschäfte abgeschlossen hat. Den Beweis, dass er bei dem Geschäft an der Haustür geschäftsunfähig gewesen sein sollte, müsste er selbst führen. Da hier die besten Vollmachten nichts helfen, wendet sich seine Bekannte an seinen Anwalt. Dieser Anwalt wendet sich mit ihr an das Betreuungsgericht und bittet um Einrichtung einer Betreuung mit dem Wirkungskreis "Überwachung der von Herrn Emsig persönlich vorgenommenen Handlungen, verbunden mit einem Einwilligungsvorbehalt". Das Gericht beabsichtigt einen Betreuer zu bestellen und zu beschließen, dass alle Geschäfte, die Herr Emsig persönlich vornimmt und den Wert von 100,00 € übersteigen, der Zustimmung des Betreuers bedürfen.
Wer wird aber nun Betreuer für Herrn Emsig?

Der Betreuer wird vom Betreuungsgericht ernannt. Wenn Herr Emsig nichts darüber bestimmt hat, ist fraglich, ob hier seine Bekannte oder nicht jemand aus seiner Verwandtschaft oder ein ihm fremder Berufsbetreuer bestellt wird. Wenn er selbst aber seine Bekannte vorgeschlagen hat, hat das Betreuungsgericht diesem Vorschlag nach § 1897 Abs. 4 BGB zu entsprechen, wenn dies dem Wohl des Herrn Emsig nicht zuwiderläuft. Wenn Herr Emsig diese Bestimmung bereits schriftlich getroffen hat, nennt man dies eine

Betreuungsverfügung.

Sie wäre in diesem Fall nach § 1901 c BGB dem Betreuungsgericht abzuliefern, damit es die entsprechenden Ermittlungen anstellt und dann voraussichtlich wunschgemäß die Bekannte des Herrn Emsig in der beschriebenen Weise zur Betreuerin ernennen kann.

3. Abwandlung des Falles:

Herr Emsig hat seiner Bekannten umfassende Vollmachten auch im Hinblick auf alle ärztlichen Angelegenheiten erteilt. Er liegt schwer krank im Krankenhaus. Seine Bekannte ist aufgrund der ihr erteilten Vorsorgevollmacht (siehe oben) befugt, mit den Ärzten alles zu besprechen. Der behandelnde Arzt eröffnet ihr, dass er keine Hoffnung mehr machen kann. Herr Emsig würde nie wieder zu sich kommen und das Bewusstsein erlangen. Die Ärzte wären aber in der Lage, ihn noch Jahre lang am Leben zu erhalten, indem sie ihn weiterhin künstlich ernährten. Die Bekannte von Herrn Emsig sagt dem Arzt, dass eine solche künstliche Lebensverlängerung nicht im Sinne des Herrn Emsig sei. Der Arzt steht vor der Frage, ob er dieser Äußerung glauben darf oder nicht. Die Bekannte legt dem Arzt die Urkunde vor, in der Herr Emsig sie umfassend bevollmächtigt hat. Als Anlage dazu befindet sich eine Urkunde mit der Überschrift

Patientenverfügung.

Darin steht u.a., dass Herr Emsig auf keinen Fall weiter künstlich am Leben erhalten bleiben will, wenn mit hinreichender Sicherheit festgestellt wird, dass er nie wieder das Bewusstsein erlangt. Der Arzt erörtert mit der Bevollmächtigten dies. Sie versichert dem Arzt, dass sie noch vor der Einlieferung in das Krankenhaus mit Herrn Emsig über diese Patientenverfügung gesprochen habe und dass er ihr nochmals gesagt habe, auf keinen Fall Jahre lang bewusstlos am Tropf hängen zu wollen. Der Arzt ist überzeugt davon und stellt die Maschinen ab. Niemand wird dem Arzt einen Vorwurf machen können.

Damit habe ich zunächst die Begriffe umrissen. Bevor ich auf die weiteren Einzelheiten eingehe, möchte jedoch zunächst einmal zusammenfassen:

Auch ohne besonderen Anlass, der eine Betreuung rechtfertigen würde, ist es sinnvoll, Vollmachten zu erteilen. Üblicherweise erteilen beispielsweise Eheleute einander eine Generalvollmacht, die in jeder Situation ausgenutzt werden kann.

Wenn eine Vollmacht auch oder nur für den Fall erteilt wird, dass man seine eigenen Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann, handelt es sich um eine Vorsorgevollmacht.

Eigentlich ist eine Betreuung dann in aller Regel unzulässig. Wenn aber doch eine Betreuung erforderlich ist, ist es sinnvoll, dass man auch den Betreuer bestimmt. Dies ist dann eine Betreuungsverfügung.

Wenn wir Bestimmungen darüber treffen, ob in bestimmten Situationen medizinische Maßnahmen stattfinden sollen oder unterlassen werden sollen, errichten wir eine Patientenverfügung.

Den Oberbegriff für alle Verfügungen:

Vorsorgeverfügungen

verwendet beispielsweise die Bundesnotarkammer. Die Bundesnotarkammer hat eine Datenbank eingerichtet, in der alle Verfügungen der vier genannten Arten registriert werden können. Wir Notare empfehlen in der Regel, die bei uns beurkundeten Vorsorgeverfügungen dort registrieren zu lassen.

Auf die weiteren Einzelheiten aller vorstehend angesprochenen Maßnahmen, also nicht nur Vorsorgeverfügungen, sondern auch Testamente und Übertragungen komme ich in dem jetzt nachfolgenden Hauptteil, wobei ich - wie gesagt - von Ihren unterschiedlichen Situationen ausgehen möchte. Ich werde Ihnen darlegen, aus welchen Gründen und in welchem Umfang in unterschiedlichen familiären und wirtschaftlichen Situationen Handlungsbedarf bestehen könnte und was bei den Lösungen zu bedenken wäre:

3. Allein stehende Person - 1 Kind:

Eine allein stehende Person, die beispielsweise nur 1 Kind hat, wird kaum einen Bedarf sehen, ein Testament zu errichten, weil dieses Kind kraft Gesetzes automatisch Alleinerbe wird.

Dazu ein Hinweis: Auch nichteheliche Kinder sind voll erbberechtigt, und zwar entgegen unserer noch bestehender Gesetzeslage nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 28.05.2009 und einem zu erwartenden Bundesgesetz in der Regel in Zukunft auch wenn sie vor dem 01.07.1949 geboren sind.

Ein Testament ist insbesondere empfehlenswert, wenn beispielsweise Grundbesitz vorhanden ist. Dann würde Ihr Erbe nach Ihrem Tod einen Erbschein benötigen. Ein Erbschein kostet etwa doppelt so viel, wie ein notarielles Testament. Die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch ist allerdings in jedem Fall kostenfrei - sei es nach einem notariellen Testament - sei es nach einem Erbschein. Sofern Konten vorhanden sind, kann man durch Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall den Übergang des Guthabens auf das Kind oder jeden anderen Erwerber regeln. Die Kreditinstitute haben Formulare darüber.

Auch wenn nun kein Grundbesitz vorhanden ist und alles hinsichtlich der Konten beim Kreditinstitut geregelt ist, sollte man - wie in einem der eingangs genannte Fälle: Herr Emsig - auch an den Fall denken, dass man infolge Erkrankung oder Alters so dement wird, dass man seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, und Vorsorgeverfügung errichten.

Ich zeige Ihnen jetzt das Muster einer solchen Vorsorgeverfügung, wie sie üblicherweise mit ähnlichen Texten von Notaren beurkundet wird - möchte mich aber jetzt nicht allzulange mit dem Muster aufhalten, sondern wegen ihrer Aktualität mich besonders mit der Patientenverfügung befassen:

Nr. der Urkundenrolle für 2010

Verhandelt

zu 21244 Buchholz, am 14. April 2010

Vor mir, dem unterzeichneten Notar a.D.

HANS - GERD FINDEKLEE

mit dem Amtssitz in 21244 Buchholz,

erschien heute in meinem Geschäftszimmer
Kirchenstraße 3:

Herr Michael Mustermann,
geb. am 01.01.1931 in ,
wohnhaft Musterstraße 1, 29633 Munster,
ausgewiesen durch Personalausweis.

Ich habe mich durch das Gespräch von der Geschäftsfähigkeit des Erschienenen überzeugt und durch Befragen geklärt, dass keinerlei Vorbefassung außerhalb des Notaramtes meiner Amtstätigkeit entgegen stand.

Der Erschienene bat um Beurkundung einer

Generalvollmacht
einschließlich
Vorsorgevollmacht
gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB
nebst
Betreuungsverfügung
gemäß § 1897 Abs. 4 BGB
und
PATIENTENVERFÜGUNG
gemäß § 1901a BGB

und erklärte:

"³zur Rechtslage in Österreich, Schweiz und Frankreich s. Kieser ZErb 2008, 99 ff."

I.

Ich bestelle hierdurch für mich und meine Erben

........................, geb. , geb. am
wohnhaft ,
Telefon:
Mobiltelefon:
Telefax:
E-Mail:

und

............................., geb. geb. am
wohnhaft: ,
Telefon:
Mobiltelefon:
Telefax:
E-Mail:

- jeder für sich allein -

zu meinen Generalbevollmächtigten.

II.

Jede/jeder Bevollmächtigte kann allein handeln. Jede dieser Vollmachten hat den folgenden Umfang:

1. Jede/jeder Bevollmächtigte ist berechtigt, jede Rechtshandlung, bei welcher Stellvertretung gesetzlich zulässig ist, für mich mit rechtsverbindlicher Wirkung vorzunehmen und entgegenzunehmen.
"³gilt lt. LG Leipzig NJW-Spezial 2010, 71 auch für die Entgegennahme von Testamentswiderruf - ist aber umstritten!!! "

2. Die Vollmacht erstreckt sich auf sämtliche Angelegenheiten, die mein Vermögen oder meine Person betreffen, auch auf geschäftsähnliche Handlungen wie z.B. Mahnungen, Anträge, Mitteilungen.

3. Jede/jeder Bevollmächtigte darf auch in alle Maßnahmen einwilligen, die mit einer

Untersuchung des Gesundheitszustandes,
einer Heilbehandlung
oder einem ärztlichen Eingriff

in Zusammenhang stehen, sowie auch solche Maßnahmen untersagen.

Dies gilt ebenfalls für

besonders risikoreiche Eingriffe im Sinne von § 1904 BGB,
also auch dann, wenn die begründete Gefahr besteht, dass ich aufgrund der Maßnahme sterbe oder einen schweren oder länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleide.

Der Notar hat darauf hingewiesen dass hierzu gemäß § 1904 Abs. 2 BGB die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich ist, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.

Sämtliche Krankenunterlagen sind jedem/jeder Bevollmächtigten zugänglich zu machen. Die Ärzte, ihre Mitarbeiter und das Pflegepersonal werden gegenüber jedem/jeder Bevollmächtigten von der Schweigepflicht entbunden.

Ich, der Erschienene, errichte hierzu die diesem Protokoll als A n l a g e beigefügte

PATIENTENVERFÜGUNG

Diese Verfügung habe ich mit dem Notar erörtert und mir reiflich überlegt.
Sie entspricht meinem individuellen Willen. Ich stelle klar, dass die hier erteilten Vollmachten sich auch auf alle Maßnahmen zur Verwirklichung meines in der Patientenverfügung niedergelegten aber auch meines anderweitigen tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens erstrecken, sofern er sich nicht eindeutig aus meiner Patientenverfügung ergeben sollte. Mir ist bekannt, dass auch ein Bevollmächtiger unter Umständen die Zustimmung des Betreuungsgerichts benötigt, wenn er Entscheidungen über lebensverlängernde Maßnahmen trifft. Die Bestimmungen der §§ 1901a, 1901b und 1904 BGB wurden vom Notar erläutert.

- Die Anlage wurde verlesen. -

- Der Notar empfahl, die Patientenverfügung im Abstand von etwa einem Jahr zu überprüfen, ob sie noch dem aktuellen Willen entspricht, und dies auf möglichst jeder Ausfertigung zu vermerken und dabei im höheren Alter für den Nachweis der Geschäftsfähigkeit Sorge zu tragen - beispielsweise durch Mitwirkung eines Zeugen.

Der Erschienene erklärte weiter:

4. Jede/jeder Bevollmächtigte ist ferner berechtigt,

über meinen Aufenthalt
oder über eine Unterbringung in einem Krankenhaus oder einem
Pflegeheim zu bestimmen.

Dies gilt auch für

eine Unterbringung, die zur Untersuchung des Gesundheitszustandes, einer Heilbehandlung oder einem ärztlichen Eingriff notwendig ist.

Jede/jeder Bevollmächtigte ist insbesondere auch zur Zustimmung befugt,

wenn ich mich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhalte, ohne untergebracht zu sein,

und mir durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.

- Der Notar hat darauf hingewiesen, dass nach § 1906 Abs. 5 BGB auch ein Bevollmächtigter einer Unterbringung und allen letztgenannten Maßnahmen nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zustimmen kann, falls nicht Gefahr im Verzuge ist, und dass auch im übrigen die Bestimmungen des § 1906 BGB auch von einem Bevollmächtigten beachtet werden müssen, also die freiheitsentziehenden Maßnahmen baldmöglichst zu beenden sind und die Beendigung dem Betreuungsgericht anzuzeigen ist. -

Der Erschienene erklärte weiter:

5. Jede/jeder Bevollmächtigte ist von den Beschränkungen des § 181 BGB (Verbot des Insichgeschäftes) befreit und berechtigt, im Einzelfall Untervollmachten zu erteilen. Die Erteilung einer Untervollmacht ist jedoch ausgeschlossen, soweit es sich um persönliche Angelegenheiten (Ziffer 3 und 4) handelt.

6. Diese Vollmacht soll durch meinen Tod nicht erlöschen.
"³nach leider wohl herrschender Lehre -a.A. Schöner / Stöber GB-Recht Rdn. 3488 - funktioniert diese Regelung nicht bei Vorerbschaft : Es erlischt eine dem Vorerben erteilte Vollmacht mit dem Tod des Erblassers und Vollmachtgebers und berechtigt eine einem Dritten erteilte Vollmacht nicht zu mehr als der Vorerbe selbst berechtigt ist"

III.

H i n w e i s e

Der Notar hat darauf hingewiesen, dass

eine solch umfassende Vollmacht, wie sie hier erteilt wird, auch missbraucht werden kann und daher vollständiges Vertrauen voraussetzt,

ein Bevollmächtigter zum Nachweis seiner Vertretungsmacht eine Ausfertigung (nicht nur eine beglaubigte Abschrift) dieser Urkunde vorlegen muss,

diese Vollmacht jederzeit durch mündliche oder schriftliche Erklärung gegenüber jedem/jeder Bevollmächtigten widerrufen werden kann,

nach einem Widerruf die Gefahr des Missbrauches besteht, solange nicht sämtliche Ausfertigungen an mich zurückgegeben sind oder der Widerruf nicht auf allen Ausfertigungen vermerkt ist.

Der Notar wird gebeten, vier Ausfertigungen zu erteilen, die zur Legitimation aller Bevollmächtigten dienen.

Ich werde selbst dafür Sorge tragen, dass von der Vollmacht entsprechend den von mir getroffenen Absprachen Gebrauch gemacht wird. Wesentlicher Punkt dieser Absprachen ist gegenwärtig, dass von der Vollmacht nicht Gebrauch gemacht werden soll, wenn ich selber in der Lage und willens bin, meine Angelegenheiten zu regeln. Sofern ich dazu nicht in der Lage oder willens bin, soll von der Vollmacht in der Rangfolge der oben angegebenen Reihenfolge im Falle der Verhinderung der jeweils vorrangigen Bevollmächtigten Gebrauch gemacht werden. Es ist mein Wunsch, dass meine Bevollmächtigten sich vor wichtigen Entscheidungen mit einander in Verbindung setzen.Ich stelle klar, dass diese Vollmacht nicht nur dazu dienen soll, meine Versorgung zu sichern und meinen Nachlass abzuwickeln, sondern dass auch Schenkungen vorgenommen werden können. Ich habe volles Vertrauen, dass dabei so gehandelt wird, wie es in meinem Sinne ist. Ich stelle weiter klar: Wenn eine der hier von mir bevollmächtigten Personen eine Ausfertigung dieser Vollmacht vorlegt, gilt sie bzw. er als bevollmächtigt.

IV.

Diese Vollmacht soll gemäß § 1896 Absatz 2 Satz 2 BGB die Bestellung eines Betreuers erübrigen. Für den Fall, dass ich dennoch einen Betreuer benötigen sollte, bitte ich hiermit bereits das zuständige Betreuungsgericht, die hiermit durch mich Bevollmächtigten in der Rangfolge der oben gewählten Reihenfolge zum Betreuer zu ernennen.

Der Erschienene wünscht die Erfassung dieser Urkunde einschließlich der in ihr enthaltenen personenbezogenen Daten im zentralen Register der Bundesnotarkammer für Vorsorgeukunden. Dieses Register dient der Information der mit Betreuungsverfahren befassten Stellen. Die Erschienene erklärte sich auch damit einverstanden, dass der Notar Abschriften dieser Urkunde anfragenden Betreuungsgerichten übersendet.
"³Hinweistext und Formulare im Internet aufrufen unter: https://www.zvr-online.de und Formulare ausfüllen und von den jeweils Betroffenen unterschreiben lassen!"

V.

Der Notar wird gebeten, von der Wiedergabe seiner Kostenrechnung in den zu erteilenden Ausfertigungen Abstand zu nehmen. Ich weise hierzu auf meinen Anspruch auf Datenschutz und auch auf die Wahrung des Steuergeheimnisses hin.

Das Protokoll nebst der als Anlage beigefügten PATIENTENVERFÜGUNG wurde dem Erschienenen vorgelesen, von ihm genehmigt und eigenhändig wie folgt unterschrieben:

Notar

Anlage zum Protokoll vom 14.04.2010

...................................
Notar
PATIENTENVERFÜGUNG
des
Herrn Michael Mustermann, geb. am 01.01.1931,
wohnhaft Musterstraße 1, 29633 Munster

nachträgliche Änderung des Manuskripts:

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 06.07.2016 XII ZB 61/16, BeckRS 2016, 14029 es für die Wirksamkeit der Patientenverfügung erforderlich gehalten, dass die vom Patienten abgelehnten Behandlungen konkret beschrieben werden. In einer weiteren Entscheidung vom vom 08.02.2017 XII ZB 604/15 hat er dies etwas abgemildert. Dennoch empfiehlt es sich, für größtmögliche Sicherheit zu sorgen, auch um allen Beteiligten ein gerichtliches Verfahren zu ersparen. Der Text könnte jetzt z.B. lauten:

Für den Fall, dass ich aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinstrübung durch Krankheit, Unfall oder sonstige Umstände nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äussern, verfüge ich:

Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens, insbesondere ohne die nachstehend beschriebenen Beeinträchtigungen, besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten.

Dagegen wünsche ich, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn durch zwei unabhängig voneinander zu beauftragende Ärzte medizinisch eindeutig festgestellt ist,

- dass ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde, oder

- dass ich mich im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befinde, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist, oder

- dass - nach einer Beobachtungszeit von ??3 Monaten - keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, wobei ich mir bewusst bin, dass in solchen Situationen die Fähigkeit zu Empfindungen erhalten sein kann und dass ein Aufwachen aus diesem Zustand nicht ganz sicher auszuschließen, aber unwahrscheinlich ist, oder

- dass aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt, insbesondere dass in Folge einer Gehirnschädigung meine Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, aller Wahrscheinlichkeit nach unwiederbringlich erloschen ist, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist (dies gilt für direkte Gehirnschädigung z. B. durch Unfall, Schlaganfall oder Entzündung ebenso wie für indirekte Gehirnschädigung z. B. nach Wiederbelebung, Schock oder Lungenversagen, wobei ich mir bewusst bin, dass in solchen Situationen die Fähigkeit zu Empfindungen erhalten sein kann und dass ein Aufwachen aus diesem Zustand nicht ganz sicher auszuschließen, aber unwahrscheinlich ist), oder

- dass es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt, insbesondere dass ich in Folge eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses (z. B. bei Demenzerkrankung) auch mit ausdauernder Hilfestellung nicht mehr in der Lage bin, Nahrung und Flüssigkeit auf natürliche Weise zu mir zu nehmen, ich insbesondere nur von Schläuchen und Drähten abhängig bin und dadurch kein selbst bestimmtes Leben habe, oder

- dass ein Krankheitszustand vorliegt, den ich vorstehend nicht ausdrücklich erwähnt habe, der aber den erwähnten Krankheitszuständen ähnlich ist oder entspricht.

Behandlungen und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst, Atemnot und Übelkeit gerichtet sein. Die Möglichkeit einer Bewusstseinsdämpfung oder einer Verkürzung meiner Lebenszeit durch diese Maßnahmen nehme ich in Kauf. Dagegen sollen in diesen Fällen lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, die nur den Todeseintritt verzögern und dadurch mögliches Leiden unnötig verlängern würden, sowie Wiederbelebungsmaßnahmen unterbleiben bzw. sofort abzubrechen sind, es sollen in diesen Fällen insbesondere

keine lebenserhaltenden Medikamente gegeben werden,

keine künstliche Beatmung - ausgenommen zur Linderung von Luftnot -

keine künstliche Ernährung über eine Magensonde, durch den Mund, die Nase, die
Bauchdecke oder über die Vene,

keine Dialyse,

keine Bluttransfusion - ausgenommen zur Linderung meiner Beschwerden.

Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung oder einem Hospiz.

Ich bitte um menschliche und seelsorgerliche Begleitung.

??Meine Organe dürfen nach meinem Tod nur dann zu Transplantationszwecken entnommen werden, wenn einer meiner Bevollmächtigten dem zuvor zugestimmt hat. Komme ich nach ärztlicher Beurteilung bei einem sich abzeichnenden Hirntod als Organspender in Betracht und müssen dafür ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden, die ich in meiner Patientenverfügung ausgeschlossen habe, gehen die Bestimmungen in meiner Patientenverfügung vor.
??Meine Organe dürfen nach meinem Tod nicht entnommen werden.

Buchholz, den 14.04.2010 ..................................................

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Bestätigung: Ich habe heute die vorstehende Patientenverfügung noch einmal aufmerksam durchgelesen. Sie entspricht - mit etwaigen von mir oben handschriftlich gemachten Abänderungen, die ich jeweils mit Datum und meiner Unterschrift versehen habe - auch noch meinem heutigen Willen - .

................................, den ............. .................................................................
Unterschrift des Herrn Michael Mustermann,

................................, den ............. ...........................................................
Unterschrift eines Zeugen

Eine Vorsorgeverfügung bedarf in Deutschland nur der Schriftform, also nicht der Beurkundung. Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch die Beurkundung. Sie ist auch nicht sehr teuer. Ich halte die Beurkundung der ganzen Vorsorgeverfügung empfehlenswert, denn es gibt wohl kaum etwas Überzeugenderes in Zweifelsfragen als das Protokoll eines Notars, der bescheinigt, die Einzelheiten mit dem Betroffenen eingehend erörtert zu haben und sich von dessen Geschäftsfähigkeit und dessen freien Willen überzeugt zu haben. In Österreich ist sogar eine Beurkundung durch einen Notar oder eine besondere ärztliche Stelle erforderlich.

Eine solche Verfügung vermeidet in aller Regel die Einsetzung eines gerichtlichen Betreuers. Man sollte aber mit seiner Bevollmächtigten oder seinem Bevollmächtigten auch eingehend besprechen und nach Möglichkeit auch niederlegen, in welcher Hinsicht der Betreffende tätig sein soll. Manchmal ist es ja gar nicht so falsch, seinem Kind eine Vollmacht zu erteilen auch mit der Maßgabe, dass es Vermögen auf sich selbst übertragen kann, beispielsweise, um noch einiges Vermögen "zu retten", das anderenfalls infolge hoher Pflegebedürftigkeit an Sozialleistungsträger gehen würde.

Seit kurzem gibt es ein Gesetz über Patientenverfügungen. Dies sollte für diejenigen, die schon eine Patientenverfügung errichtet haben, Anlass sein, sie einem "TÜV" zu unterziehen. Ich möchte ihnen dazu die aktuelle Gesetzeslage vortragen, denn diese Materie sollte nicht nur Alleinstehende sondern jeden interessieren:

Welche Wirkung hat die Patientenverfügung?

Nach § 1904 Abs. 1 und Abs. 2 BGB bedarf die Einwilligung in risikoreiche ärztliche Maßnahmen, aber eben auch die Untersagung von ärztlichen Maßnahmen, die medizinisch angezeigt sind, wenn sie vom Patienten nicht selber erklärt wird, sondern durch einen Betreuer oder einen Bevollmächtigten, der Zustimmung des Betreuungsgerichts. Das Verfahren dafür ist jetzt seit September 2009 in § 298 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt. Danach soll das Gericht bei solchen Entscheidungen die sonstigen Beteiligten anhören und vor der Genehmigung auch noch ein Sachverständigengutachten einholen. Der Sachverständige soll nicht auch der ausführende Arzt sein. Rechtsprechung zu dieser Bestimmung kann ich noch nicht vortragen, weil sie ganz neu ist. Die bisherige Rechtsprechung wird man heranziehen können. Danach wird diese Bestimmung zum Beispiel laut einem mir vorliegenden Kommentar zum FamFG auch angewandt, wenn beispielsweise eine künstliche Ernährung abgebrochen wird. Zu befürchten ist, dass ein solches Verfahren unter Umständen die Leidenszeit aller Betroffenen erheblich verlängern kann.

Glücklicherweise hat der Gesetzgeber in § 1904 Abs. 4 BGB von dem Erfordernis der Genehmigung abgesehen, wenn zwischen dem Betreuer bzw. Bevollmächtigten und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Entscheidung dem nach § 1901 a BGB festgestellten Willen des Betreuten entspricht.

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten:

Es muss einen für diesen Wirkungskreis bestellten Bevollmächtigten oder sonst einen mit erheblichem Zeitaufwand zu bestellenden Betreuer geben. Dieser muss zu einem Einvernehmen mit dem Arzt kommen. Der Wille des Patienten muss gemäß § 1901 a BGB festgestellt werden. Darin liegt dann also der Schlüssel zur Vermeidung eines aufwändigen gerichtlichen Verfahrens.

In § 1901 a Abs. 1 BGB ist geregelt, dass der Betreuer bzw. der Bevollmächtigte dem in der Patientenverfügung schriftlich festgelegten Willen Ausdruck und Geltung zu verschaffen hat.

In § 1901 a Abs. 2 BGB ist der Fall geregelt, dass keine Patientenverfügung vorliegt oder die Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Dann hat der Betreuer bzw. Bevollmächtigte die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Patienten festzustellen und zu entscheiden. Dazu heißt es weiter, "zu berücksichtigen seien insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten."

Klargestellt ist auch in Abs. 3, dass dies alles unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung gilt. Das bedeutet, dass auch dann, wenn der Todeszeitpunkt noch weit entfernt liegt, eine Patientenverfügung durchaus Beachtung finden kann.

Das eben schon angesprochene Gespräch zwischen dem Arzt und dem Betreuer bzw. Bevollmächtigten ist in § 1901 b BGB geregelt. In dessen Abs. 2 heißt es, "es soll auch nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten bzw. Bevollmächtigten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist."

Aus der mir vorliegenden Kommentierung, der noch keine Rechtsprechung zugrunde liegt, entnehme ich Folgendes:

1. Wenn keinerlei Verfügung eines Patienten vorliegt, muss der Arzt im Zweifel für das Leben entscheiden und alle lebensverlängernden Maßnahmen ergreifen, die medizinisch angezeigt sind. Dies ergibt sich aus dem Vorrang des Grundrechts auf Leben über dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

2. Hat der Patient sich irgendwann schon vorher dahingehend geäußert, dass man den Schluss daraus ziehen kann, er möchte in der entsprechenden Situation nicht künstlich am Leben erhalten bleiben, kann der Bevollmächtigte, aber auch ein vom Gericht eingesetzter Betreuer, wenn er die entsprechenden Informationen hat, den Versuch unternehmen, den Arzt davon zu überzeugen. Nach dem Gesetzestext müsste eigentlich eine solche Überzeugung des Arztes ausreichen, um ihn zu veranlassen, eine lebensverlängernde Maßnahme abzubrechen, ohne das Gericht anzurufen. Aus der hier vorliegenden Kommentierung zu § 1904 BGB entnehme ich jedoch, dass dies wohl nur gehen soll, wenn eine Patientenverfügung vorliegt. Bis darüber keine Gerichtsentscheidung eines oberen Gerichts vorliegt, kann ich jedem Arzt nur raten, insoweit Vorsicht walten zu lassen.

Dazu noch einmal ein allgemeiner Hinweis:

Dem Arzt droht bei einer falschen Entscheidung in jeder Richtung strafrechtliche Verfolgung:

a) Unterlässt er gegen den Willen lebenserhaltende Maßnahmen oder bricht sie ab, begeht er ein strafbares Tötungsdelikt.

b) Ergreift er gegen den Willen eines Patienten lebensverlängernde Maßnahmen, setzt z. B. eine Magensonde oder gibt eine Spritze, ist dies eine strafbare Körperverletzung.

3. Liegt eine Patientenverfügung vor und gelingt es dem Betreuer bzw. Bevollmächtigten, den Arzt davon zu überzeugen, dass die Patientenverfügung den konkreten Fall erfasst, wird der Arzt geneigt sein, dem Patienten bzw. der Familie eine lange unzumutbare Quälerei zu ersparen und ist bereit, die vom Patienten nicht gewünschten lebensverlängernden Maßnahmen erst gar nicht zu ergreifen oder auch abzubrechen.

4. Jeder Mensch hat ein Recht auf würdiges Sterben gem. Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes

Zur Vorsorgeverfügung allgemein ist noch ergänzend anzumerken, dass - insbesondere bei Kontenvermögen - die Abwicklung des Nachlasses zusätzlich zu einem privatschriftlichen Testament noch dadurch erleichtert werden kann, dass die Vollmachten über den Tod hinaus erteilt werden. Ihr Geldinstitut stellt Ihnen dazu Formulare zur Verfügung -

- aber Vorsicht: eine solche Vollmacht beinhaltet noch nicht die Übertragung des Guthabens, sondern nur die Befugnis zur Verfügung und kann auch jederzeit widerrufen werden. Wer eine solche Vollmacht hat und nicht Alleinerbe ist, darf also nicht alles für sich vereinnahmen.

Die von mir schon dargelegten Vorsorgevollmachten werden in aller Regel auch mit einer über den Tod hinaus reichenden Generalvollmacht verbunden . Damit kann vielfach der Nachlass abgewickelt werden. Allerdings ist der Verkauf eines Nachlassgrundstückes mit einer solchen Vollmacht mit erheblichen Risiken verbunden. Dazu kann ich nicht raten. Es bleibt also dabei, dass ein Grundbesitzer sein Testament beurkunden lassen sollte.

Nun noch etwas zum Testament:
Bei der Vererbung von größerem Vermögen kann die Erbschaftsteuer eine Rolle spielen. Dazu ein Beispiel:

E hat einen Sohn, der wiederum 5 Kinder hat und selbst auch durchaus vermögend ist. E hat ein Vermögen von 600.000,00 €. Unternimmt er nichts und stirbt, entsteht für seinen Sohn folgende Erbschaftsteuer:

Nachlass: 600.000,00 €
Pauschale f. Bestattung -10.300,00 €
Rest: 589.700,00 €
abzüglich Freibetrag: -400.000,00 €
zu versteuern: 189.000,00 €
Steuer der Klasse I - 11 %: 20.790,00 €

Vermeidung der Steuer: E bestimmt z.B. in einem Testament:

Mein Sohn ........ wird mein Erbe und hat im Wege eines Vermächtnisses jedem meiner fünf Enkel ................ einen Geldbetrag in Höhe von jeweils 40.000,00 € auszuzahlen.

Die Rechnung sieht dann nach dem geltenden (neuen) Erbschaftsteuerrecht wie folgt aus:

Nachlass: 600.000,00 €
Vermächtnisse: 5 * 40.000,00 € = - 200.000,00 €
Pauschale f. Bestattung -10.300,00 €
Rest: 389.700,00 €
abzüglich Freibetrag: -400.000,00 €
zu versteuern: 0,00 €
Steuer 0,00 €

Eine andere Lösung könnte darin bestehen, bereits unter Lebenden Vermögen innerhalb des schenkungsteuerlichen Freibetrags zu übertragen. Wenn der Erbfall dann nach 10 Jahren eintritt, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.

Ein Testament lässt sich auch ohne Notar errichten. Es muß dann von Ihnen persönlich mit der Hand geschrieben werden und unterschrieben werden, um wirksam zu sein, und sollte auch noch Zeit und Ort der Errichtung wiedergeben (§ 2247 BGB). Sollte allerdings Grundbesitz vorhanden sein, empfiehlt sich - wie bereits ausgeführt - die notarielle Beurkundung.

Hier möchte ich noch nachtragen, warum ich ein Vermächtnis empfohlen habe und nicht von Miterbe gesprochen habe:

Alle Miterben sind zusammen als Erbengemeinschaft Träger aller Rechte und Pflichten des Nachlasses, Vermächtnisnehmer dagegen nicht: Sie haben nur einen Anspruch gegen den oder die Erben auf Erfüllung des Vermächtnisses. Dass im gerade geschilderten Fall die Enkel noch nicht mitbestimmen sollen, liegt auf der Hand. Auf die Nachteile einer Erbengemeinschaft komme ich noch zu sprechen.

Dasselbe steuerliche Ergebnis läßt sich in dem gerade geschilderten Fall auch durch den schon oben angesprochenen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall erreichen. Dabei kann man sich auch vorbehalten, bis zu seinem Tod über das Guthaben noch zu verfügen.

Ich fasse vorläufig zusammen:

Auch wer eine ganz klare Erbfolge zu erwarten hat, sollte nach Möglichkeit eine Vorsorgeverfügung errichten. Eine notarielle Beurkundung ist empfehlenswert.

Wer eine Immobilie zu vererben hat, sollte sein Testament notariell beurkunden lassen.

Aus erbschaftsteuerlichen Gründen kann es sich empfehlen, weitere Personen zu bedenken, die sonst nichts erhalten würden. Dazu ist eine Verfügung erforderlich, und zwar ein Testament oder ein Vertrag zugunsten Dritter für den Todesfall.

Über Konten können Sie auch durch Vertrag zugunsten Dritter verfügen.

Zur Abwicklung Ihres Nachlasses können Sie Vollmachten über den Tod hinaus erteilen.

4. Allein stehende Personen - mehrere Kinder:

Wenn schon eine Einzelperson mit einem Kind, also der klarste erbrechtliche Fall, durchaus Handlungsbedarf hat, gilt dies erst recht bei einer Einzelperson, die mehrere Kinder hat. Sollten Sie beispielsweise zwei oder mehr Kinder haben, die einmal Ihr Vermögen erben sollen, werden Sie sicher daran interessiert sein, dass zwischen diesen Kindern kein Streit besteht. Würden Sie kein Testament errichten, würden Ihre Kinder eine Erbengemeinschaft bilden, an der sie zu gleichen Teilen beteiligt sind. Erbengemeinschaften bringen sehr viel Probleme mit sich. Jeder Miterbe kann eine vernünftige Verwaltung erheblich erschweren. Die Rechtsordnung gibt zwar durchaus Hilfen. Man muss jedoch im Streitfall das Gericht bemühen. Es ist durchaus vorgekommen, dass durch Streitigkeiten zwischen Miterben ein großer Teil des Nachlasses durch Prozesskosten aufgebraucht wurde.

Deswegen gilt der allgemeine Rat,

nach Möglichkeit eine Erbengemeinschaft zu vermeiden oder Testamentsvollstreckung anzuordnen, so dass nach Möglichkeit nur eine Person die Entscheidungen zu treffen hat, ohne dass die anderen Beteiligten dies blockieren können.

Also empfiehlt es sich, ein Testament zu errichten.

Ein privatschriftliches Testament kann leicht zu Missverständnissen führen. Das deutsche Erbrecht sagt, dass immer dasjenige gilt, was der Erblasser in Wirklichkeit gewollt hat, wenn es nur irgendwie im Testament Andeutung gefunden hat. Das bedeutet, dass eine Vielzahl von Prozessen sich mit der Auslegung von Testamenten befasst. Es werden unter Umständen Zeugen vernommen, die sich dann dazu äußern sollen, wie der Erblasser über die anstehenden Fragen gedacht hat. Solche Verfahren sind natürlich sehr langwierig und teuer. Sie können auch eine Familie total entfremden. Dies sind alles Argumente, bei der Abfassung des Testamentes zumindest juristischen Rat hinzuzuziehen, selbst wenn eine Beurkundung nicht erforderlich ist.

Dazu gebe ich noch einen unjuristischen - rein menschlichen - Rat:

Sie können mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas für den Familienfrieden tun, wenn Sie

Ihre Kinder in Ihre Gestaltungsüberlegungen mit einbeziehen.

Die Mehrzahl von Erbschaftsprozessen wird meiner Meinung nach nicht aus wirtschaftlichen Interessen geführt, sondern aus menschlichen Emotionen, insbesondere aus Enttäuschung, nicht gefragt zu sein, häufig auch dem Verdacht, dass etwas hinter dem Rücken eines Beteiligten geregelt wurde und dabei unfairer Einfluss ausgeübt wurde.

5. Allein stehende Personen ohne Kinder:

Wenn Sie alleinstehend sind und auch keine Kinder und Kindeskinder haben, besteht für sie natürlich auch das Interesse an einer Vorsorgeverfügung. Sie sind aber möglicherweise an der Erbfolge nicht so sehr interessiert. Wenn Sie aber ein Interesse daran haben, dass Ihre Verwandten über Ihren Nachlass ohne Streit und unbürokratisch verfügen können, gilt das Vorhergesagte auch für Sie. Gerade hier liegen wegen der geringen Freibeträge erst recht Regelungen nahe, um den Hinterbliebenen möglichst Erbschaftsteuer zu ersparen.

6. Eheleute:

Bei Eheleuten gilt nicht nur das vorher Gesagte, sondern es besteht so gut wie immer Bedarf für eine letztwillige Verfügung. Unterbleibt sie, beerben sich die Eheleute nicht etwa allein. Die Kinder werden bereits Miterben und zwar beim gesetzlichen Güterstand zur Hälfte des Nachlasses. Aber auch wenn keine Kinder vorhanden sind, kann es Miterben geben, nämlich die Eltern des verstorbenen Ehegatten bzw. an deren Stelle die Geschwister oder die Abkömmlinge von Geschwistern, also Neffen und Nichten, unter Umständen sogar Großneffen und Großnichten.

Jeder Miterbe könnte die Erbauseinandersetzung verlangen und z.B. gemäß § 180 ZVG die Versteigerung des Familienheimes betreiben. Der längstlebende Ehegatte hätte daran kein Vorrecht.

Ich kenne kein Ehepaar, dass mit solch einer Situation einverstanden wäre. Alleinerbschaft würde es nur geben, wenn die Eltern des Ehegatten verstorben sind und auch keine Geschwister bzw. jemand aus dem Stamm von Geschwistern vorhanden ist.

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass auch nichteheliche Kinder erbberechtigt sind. Hier besteht natürlich meistens erst recht Bedarf, die Erbfolge zu regeln.

Eheleute wollen in der Regel in erster Linie dafür sorgen, dass der Längstlebende angemessen versorgt ist, und in zweiter Linie bestimmen, was im Übrigen zu geschehen hat.
Wie sie dabei vorgehen sollten, möchte ich in dem folgenden Abschnitt vortragen. Die Ausführungen lassen sich auch auf andere Konstellationen gut übertragen, in denen eine Nachfolgeplanung nicht so einfach ist wie in den eingangs geschilderten Fällen.

Was ist zu tun?

Nachdem ich Ihnen geschildert habe, inwiefern Handlungsbedarf bestehen kann und auch einige Lösungen genannt habe, möchte ich Ihnen allgemein darlegen, wie Sie sinnvoll vorgehen können, um Ihre Probleme zu lösen. Dabei kann ich nicht auf jede Situation eingehen und möchte daher mich mit dem häufigsten Fall befassen, nämlich der Regelung der Vermögensnachfolge durch Eheleute. Dadurch beantworten sich vielfach auch Fragen aus einfacher gelagerten Fällen.

Was sollen also Eheleute tun, um ihre Vermögensfolge zu regeln?

1. Zuerst sollten Sie sich

darüber klar werden,
was im Falle des Todes des einen oder des anderen geschehen soll.

Sie sollten also die verschiedenen denkbaren Situationen durchspielen und nicht nur an ihre Idealvorstellung denken, dass sie beide vielleicht 85 Jahre alt werden und die Kinder und Kindeskinder einen normalen Lebensweg gehen, nicht krank werden oder verarmen oder auch nicht vorher versterben.

2. Sodann sollten Sie sich auch

juristischen Rat einholen.

Ich könnte fast Wetten eingehen, dass mindestens jedes zweite Testament, das Ehegatten mit der Hand gemeinsam errichtet haben, nicht hundertprozentig die Regelungen bringen, die die Eheleute eigentlich damit bezwecken.

Auch dazu ein Beispiel: Eheleute verfügen:

"Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Der Längstlebende von uns kann frei verfügen. Nach seinem Tod sollen unsere beiden Kinder je zur Hälfte Erben sein."

Nachdem einer der Eheleute verstorben ist, möchte der andere ein Kind enterben, weil es ausgewandert ist und überhaupt keinen Kontakt mehr zu den Eltern gehabt hat. Eine solche Testamentsänderung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit unwirksam. Der Satz "Der Längstlebende von uns kann frei verfügen" wird von der Rechtsprechung ( für Fachleute: Nachweise im Kommentar Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Auflage 2007, § 2271, Rd.Nr. 22) - wenn keine anderen Anhaltspunkte bestehen - in der Weise ausgelegt, dass der Längstlebende nicht nur Vorerbe ist, sondern unter Lebenden frei verfügen kann, also alles verkaufen und verbrauchen kann, dagegen aber kein anderweitiges Testament zu Lasten der Kinder machen kann.

Um ein anderes Testament errichten zu können, müßte er - wenn er das gemeinschaftliche Testament nicht anfechten kann (was in der Regel auch nicht geht) - die eigene Erbschaft ausschlagen. Wer weiß schon, dass man zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten in das Testament ausdrücklich eine entsprechende Ermächtigung für den Längstlebenden aufnehmen muß

- z.B. : "Jeder von uns kann nach dem Tod des anderen seine Verfügungen ändern" - ,

um nach dem Tod das anderen (nicht vorher!) ein Kind z.B. enterben zu können oder noch Testamentsvollstreckung anordnen zu können? Es empfiehlt sich also in jedem Fall, juristischen Rat einzuholen, damit das Testament so abgefasst wird, dass später kein Zweifel in derartigen Streitfragen auftreten kann. Unter Umständen wollen Eheleute ja auch keine völlige Freiheit für den Längstlebenden, damit er nicht im hohen Alter bei leichter Demenz von familienfremden Personen zu irgendwelchen geradezu unsinnigen Testamentsänderungen verleitet wird. Eine juristische Beratung kann hier Zwischenlösungen bringen, die Ihren Vorstellungen gerecht wird.

Für die Frage, ob das Testament beurkundet werden soll oder lediglich der juristische Rat ausreicht, gelten die Ausführungen, die ich bereits für einen einzelnen Erblasser gemacht habe.

Juristischer Rat sollte auch deshalb eingeholt werden, weil vielfach erhebliche Fehlvorstellungen über die gesetzliche Erbfolge bestehen. Nicht jedem ist bekannt, dass Stiefkinder bzw. Verwandte des Erstverstorbenen nach dem Längstlebenden nicht mehr erbberechtigt sind. Beispiel: Eheleute schreiben in ihr Testament:

"Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Regelungen für den Tod des Längstlebenden wollen wir nicht treffen."

Hier erben beim Tod des Längstlebenden nur dessen Verwandte, also nicht seine Stiefkinder. Sind überhaupt keine Kinder vorhanden, erben auch nur die entfernteren Verwandten des längstlebenden Ehegatten und nicht die Verwandten des Erstverstorbenen. Hier entscheiden dann also Zufälle darüber, welche Familie letztlich einmal das Vermögen erbt.

Ein weiterer Grund, juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen, sind die Pflichtteile. Auch insofern besteht weitgehend erhebliche Unkenntnis:

Allgemein bekannt ist, dass Kinder Pflichtteile haben und dass auch Eheleute, wenn sie nicht Erben geworden sind, Pflichtteile geltend machen können. Weniger bekannt ist dagegen, dass es auch bei kinderlosen Ehepaaren Pflichtteile geben kann: nämlich für die Eltern. Das kann z.B. von Bedeutung sein, wenn die Eltern im Pflegeheim sind und bereits Sozialleistungen erhalten. Der Sozialleistungsträger kann dann die Pflichtteile auf sich überleiten.

Pflichtteile sind zwingendes Recht. Man kann sie auch nicht durch ein noch so gutes Testament zu Fall bringen. Ich muss also mit dem teilweise noch verbreiteten Irrglauben aufräumen, Eheleute könnten durch ein Berliner Testament Pflichtteile der Kinder vermeiden. Kinder können tatsächlich einen Elternteil mit Pflichtteilen belangen, wenn der andere Elternteil gestorben ist.

Der Pflichtteil ist ein Anspruch gegen den Erben in Höhe des halben Wertes des gesetzlichen Erbteils. Beim gesetzlichen Güterstand beträgt der Pflichtteil der Kinder nach dem Erstversterbenden daher insgesamt 1/4.

In aller Regel braucht der Längstlebende von Ehegatten aber nicht sein Haus zu verkaufen, um Pflichtteile zu bezahlen. Für solche Fälle gibt es eine Härteregelung, also einen Anspruch auf Stundung zu angemessenen Bedingungen. Diese Regelung soll übrigens auch auf andere Erben, die nicht selbst pflichtteilsberechtigt sind, erweitert werden.

Erbschaftsteuer

Schließlich gibt es noch einen weiteren Grund, juristische Hilfe hinzuziehen, nämlich die Erbschaftssteuer. Das gilt natürlich nicht nur für Ehegatten, sondern auch für andere Beteiligte. Schenkungssteuer und Erbschaftssteuer sind ein und die selbe gesetzliche Materie. Alles, was innerhalb von 10 Jahren von einer Person auf die andere unentgeltlich übergeht - sei es durch Schenkung oder durch Vererbung -, wird für die Berechnung der Steuer zusammengerechnet.

Eheleute haben einander gegenüber einen Freibetrag von 500.000,00 €.

Kinder haben gegenüber jedem Elternteil einen Freibetrag von jeweils 400.000,00 €.

Enkelkinder haben einen Freibetrag von 200.000,00 €.
Sollte aber der verbindende Elternteil dieses Enkelkindes bereits im
Erbfall verstorben sein, beträgt der Freibetrag für das Enkelkind auch 400.000,00 €.

Bei größerem Vermögen kann das Berliner Testament hier schon Probleme bereiten. Beispiel:

Ehepaar mit einem Kind; jeder der Ehegatten hat ein Vermögen von 300.000,00 €.
Die Eheleute setzen sich gegenseitig als Alleinerben und das Kind als Erben des Längstlebenden ein (Berliner Testament).

Erster Erbfall: Freibetrag des Ehegatten: 500.000,00 also keine Erbschaftssteuer.

Zweiter Erbfall: Vermögen: 600.000,00 €
abzügl. Pauschale für Beerdigungskosten - 10.300,00 €
abzügl. Freibetrag - 400.000,00 €
zu versteuern 289.700,00 €

Steuerklasse I Steuersatz wegen der Höhe des Betrages 11 % = 31.867,00 €

Das Kind hat also nur einmal den Freibetrag, weil es nur vom Längstlebenden etwas geerbt hat.

Hier wären Überlegungen anzustellen, wie man dem Kind einen zusätzlichen Freibetrag bescheren kann. Das wäre z. B. möglich durch ein sogenanntes "Erbschaftssteuervermächtnis". Hier sollte im Übrigen nicht nur der allgemeine Jurist, sondern auch der Steuerrechtler befragt werden, denn es gibt hier erhebliche Fallstricke.

Ich hatte ja bereits ausgeführt, dass ein Testament nicht unbedingt immer notariell beurkundet sein muss. Dazu aber noch ein weiterer Hinweis:

Wer beispielsweise mit seinem Testament erreichen will, dass irgendeine Person - z. B. ein nicht eheliches Kind - nach Möglichkeit nie etwas erbt, und wer auch erreichen möchte, dass der Rechtsberater später seine Erben gegenüber diesem nicht ehelichen Kind vertritt, kann diesen Juristen nicht als Notar nehmen, denn er ist als Notar zur Neutralität verpflichtet und darf in der selben Angelegenheit später nicht anwaltlich tätig werden. Diese Frage sollte man also im Rahmen der ersten Beratung möglichst bald klären.

Wenn dann der juristische Berater Ihre Vorstellungen aufgenommen hat, ist es seine Aufgabe, diese Vorstellungen in eine juristische Form zu gießen und Ihnen zu erläutern, inwiefern Ihre Vorstellungen verwirklicht werden und inwiefern "Störfälle" auftreten können. Beispiel:

Eheleute haben ein behindertes Kind, das so dement ist, dass es von einer Erbschaft persönlich gar keinen Vorteil hätte. Eheleute wollen daher dieses Kind enterben. Der juristische Berater weiß hier einen anderen Weg, nämlich die Regelungen eines sogenannten Behindertentestamentes. Das Kind wird dabei in der Regel als Miterbe eingesetzt, jedoch nur als Vorerbe. Im Wege einer Testamentsvollstreckung wird sichergestellt, dass aus dem Nachlass nur Leistungen erbracht werden, die dem Kind persönlich gut tun und nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden. Nach dem bis zum 31.12.2009 geltenden Recht musste dabei der Erbteil so hoch angesetzt werden, dass er etwas über dem Pflichtteil liegt. Jetzt genügt auch ein geringerer Erbteil - Vielleicht ein Anlass für Eheleute, ihr Testament einem "TÜV" zu unterziehen.

Weiteres Beispiel:

Ehemann mit vier Kindern verheiratet mit einer Frau mit einem Kind.

Testament:

"Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Erben des Längstlebenden sind unsere beiderseitigen Kinder zu gleichen Teilen, also je zu 1/5."

"Störfall": Der Ehemann verstirbt zuerst. Seine Kinder vertrauen auf das Testament. Ehefrau verstirbt danach. Die vier Kinder des Ehemannes möchten je 1/5 erhalten. Das Kind der Ehefrau kann sich auf seinen Pflichtteil von Einhalb berufen, braucht also nur die Hälfte abzugeben. Die vier Kinder des Ehemannes müssen sich also diese Hälfte teilen, bekommen also je 1/8 statt 1/5.

Auch hier weiß der Jurist Rat um zu helfen. Lösung ist hier entweder eine Vor- und Nacherbschaft oder ein sogenanntes Herausgabevermächtnis. Die Einzelheiten würden den Rahmen dieses Vortrages sprengen. Hier ist unbedingt juristischer Rat notwendig, denn der Längstlebende der Eheleute soll ja auch nach Möglichkeit auch noch gewisse Freiheiten in seiner Verfügung haben.

Die Vielfalt von Möglichkeiten, wie Sie im Einzelnen Ihr Testament gestalten können, kann nicht Gegenstand eines solchen Vortrages sein. Wir sollten es daher mit diesen Beispielen bewenden lassen. Die Beispiele zeigen aber auch, dass Ihr juristischer Berater den gesamten Sachverhalt kennen muss und sich viel Zeit nehmen muss, um Sie sachgerecht zu beraten.

7. Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten:

Viele von Ihnen werden sich mit dem Gedanken getragen haben, schon zu Lebzeiten Vermögen zu übertragen. Ich habe bereits auf die 10-Jahresfrist hingewiesen, die für die Schenkungs- und Erbschaftssteuer gilt. Dies ist vielfach auch schon Anlass, Übertragungen unter Lebenden vorzunehmen. Auch im Pflichtteilsrecht gibt es eine 10-Jahresfrist, die Anlass für eine Übertragung sein sollte. Beispiel:

Die Witwe W. hat einen Sohn S und eine Tochter T. Die Tochter kümmert sich um die Mutter, während der Sohn seine eigenen Wege geht. W. möchte, dass ihre Tochter das ganze Vermögen erhält, ohne Pflichtteilen ihres Bruders ausgesetzt zu sein. Sie möchte ihr Mehrfamilienhaus auf ihre Tochter T. übertragen, aber weiterhin dort wohnen und noch die Mieten erhalten. Sie bittet den Notar um den Entwurf eines Vertrages, worin sie den Grundbesitz auf ihre Tochter überträgt und sich den lebenslangen Nießbrauch vorbehält.

Folge: Für die Schenkungs- und Erbschaftssteuer läuft die 10-Jahresfrist. Sind die 10 Jahre nach dem Vollzug des Vertrages vorbei, ist der Vorgang beim Finanzamt "vergessen". Für die Pflichtteile ist die Sache aber nicht "vergessen". Der Sohn S hätte im Falle des Todes seiner Mutter Pflichtteilsergänzungsansprüche. Die hierfür vorgesehene 10-Jahresfrist läuft nicht, wenn die Übertragung praktisch nur auf dem Papier stattgefunden hat, also die Mutter noch gar nicht das eigentliche "Opfer" erbracht hat. Die 10-Jahresfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche würde dagegen laufen, wenn die Wohnung der Mutter nicht die überwiegende Bedeutung in dem Hause hätte ( oder erst recht: die Mutter in einen Seniorenwohnsitz ziehen würde), die Tochter das Haus vermieten würde und ihr eine lebenslange Leibrente zahlen würde. Dabei könnte die Leibrente durchaus so hoch sein, wie die Erträge bei einem vorbehaltenen Nießbrauch wären. Entscheidend ist, dass die Tochter das Haus im Wesentlichen innehat und insbesondere auch das Vermietungsrisiko trägt. Außerdem würde der Pflichtteilsanspruch bei Tod der W nach nach einem Jahr nur noch 90 % betragen und dann entsprechend weiter abschmelzen, bis nach 10 Jahren nichts mehr verbliebe. Weiterer Vorteil dieser Regelung: Die Leibrente wird als Gegenleistung abgezogen. Würde die Mutter also innerhalb von 10 Jahren nach dem Vollzug des Vertrages versterben, würde nicht der volle Wert des Grundbesitzes für die Schenkungs- und Erbschaftssteuer von Bedeutung sein, sondern nur der Nettowert. Wenn die Mutter also noch weiteres Vermögen hinterlässt, kommt die Tochter nicht so leicht über den Freibetrag von 400.000,00 €. Beim Nießbrauch würde nach dem jetzt geltenden Recht allerdings für die Erbschaftsteuer dasselbe gelten.

Der Notar wird in einem solchen Fall die Mutter noch auf etwa anderes hinweisen:

Er würde die Frage stellen, was geschehen soll, wenn die Tochter vor der Mutter verstirbt. Sollte beispielsweise die Tochter keine Kinder haben, möchte die Mutter, dass in diesem Fall der Grundbesitz an sie zurückfällt. Auch möchte die Mutter möglicherweise, dass der Grundbesitz nicht nur an sie, sondern sogar an ihren Sohn fällt, wenn die Tochter in Vermögensverfall gerät, also ein Insolvenzverfahren oder ein Zwangsversteigerungsverfahren eröffnet wird. Gegen solche "Störfälle" kann die Mutter sich bzw. die übrige Familie durch eine "Rückauflassungsvormerkung" sichern.

Allein dieses Beispiel zeigt, dass sich unter Umständen mit einer Übertragung von Vermögen unter Lebenden Steuern sparen lassen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber noch eine ganz dringende Warnung aussprechen:

Man soll aus steuerlichen (übrigens auch aus sozialrechtlichen Gründen) nie etwas unternehmen, was man in Wirklichkeit nicht will. Die Erfahrung zeigt, dass die Wechselfälle des Lebens vielfach zu Situationen führen, die dann unbeherrschbar werden und geradezu zum Chaos führen. Es hat sich allgemein als sinnvoll erwiesen, den geraden ehrlichen Weg zu gehen, auch wenn etwas mehr Steuer entsteht.

Ich hoffe, mit diesen Ausführungen Ihnen bei Ihrer Entscheidung, inwiefern Sie Ihre Vermögensnachfolge regeln wollen, und wie Sie dabei vorgehen wollen, etwas geholfen zu haben. Ich stehe selbstverständlich auch für Fragen zur Verfügung, möchte jedoch nochmals darauf hinweisen, dass diese Veranstaltung nicht dazu da ist, Ihre speziellen Rechtsfälle zu lösen. Sie sollten mit Ihren Fragen sich an denjenigen Juristen wenden, zu dem Sie persönliches Vertrauen haben und dem Sie auch die Kompetenz zur umfassenden Beratung zutrauen. Dabei spricht es eher für einen juristischen Berater, wenn er offen sagt, dass er noch einen weiteren Fachmann hinzuziehen möchte - beispielsweise einen Steuerberater oder vielleicht auch einen Fachmann für internationales Privatrecht oder veilleicht auch nur einen "einfachen" Fachanwalt für Erbrecht". Niemand kann im Bereich der Vermögensnachfolge alles wissen. Wer das von sich behaupten würde, wäre für Sie kein guter Berater.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.