Vorsorgeverfügungen

Vortrag im Rahmen einer Veranstaltung des Diakonischen Werks am 12. April 2010 in Neu Wulmstorf

Einleitung:
Ich bedanke mich für die Ehre, vor einem solchen großen Publikum einen Vortrag über Vorsorgeverfügungen, Gesundheits- und Patientenschutz halten zu dürfen. Dieses Thema ist ja im vergangenen Jahr besonders in das Licht der Öffentlichkeit gerückt, weil der Bundesgesetzgeber eine Regelung über Patientenverfügung geschaffen hat. Andererseits handelt es sich um ein Thema, was vielfach verdrängt wird, denn wer denkt gerne an Situationen, in denen er sich nicht selbst helfen kann oder in denen er schwer krank ist und seine Angehörigen vor der Frage stehen, ob und welche medizinischen Maßnahmen sinnvoll sind oder ob es nicht vernünftiger ist, der Natur ihren Lauf zu lassen.

Sie erwarten von mir sicher keinen juristischen Vortrag, sondern nach Möglichkeit Antworten auf Fragen, die bei Ihnen vielleicht aufgetaucht sind oder mit deren Relevanz Sie in Zukunft rechnen. Ich möchte daher Nachfolgend möglichst praxisbezogen vortragen und mich nicht über Gebühr mit abstrakten Ausführungen aufhalten.

Worum geht es?

I. Begriffe

Fall
Herr Emsig ist erfolgreicher Einzelunternehmer und verheiratet. Bei einer Geschäftsreise erleidet er einen schweren Unfall und ist transportunfähig. In seinem Geschäft stehen wichtige Entscheidungen an. Die im Geschäft mit arbeitende Ehefrau geht zu einem Anwalt, um die nötigen Schritte zu ergreifen.

Der Anwalt fragt nach einer

Vollmacht.

Hat der Unternehmer seiner Ehefrau eine ausreichende Vollmacht - am besten eine Generalvollmacht - erteilt - nach Möglichkeit notariell beglaubigt oder beurkundet -, kann die Ehefrau alle erforderlichen Handlungen vornehmen und auch - sofern sie selbst dazu nicht in der Lage ist - Untervollmachten erteilen und insbesondere auch einen Geschäftsführer für die Zeit der Abwesenheit ihres Ehemannes bestellen. Gäbe es eine solche Vollmacht nicht, müsste die Ehefrau sich unverzüglich an das Betreuungsgericht wenden und einen Antrag auf Abwesenheitspflegschaft gemäß § 1911 BGB für ihren Ehemann stellen.

1. Abwandlung des Falles:

Der Ehemann erleidet einen so schweren Hirnschaden, dass er auf Dauer nicht mehr geschäftsfähig ist. Der behandelnde Arzt eröffnet der Ehefrau, dass eine Operation zwar möglich aber risikoreich ist. Auch hier kann eine besondere Vollmacht helfen. Gäbe es sie nicht, müsste gemäß § 1896 BGB eine Betreuung eingerichtet werden. Eine solche Vollmacht , die eine Betreuung vermeidet, nennt man

Vorsorgevollmacht.

Wenn eine solche Vollmacht existiert und ausreicht, um den Bedürfnissen des Herrn Emsig zu genügen, ist eine Betreuung unzulässig, denn unsere Entscheidungen als mündige Bürger gehen der staatlichen Bevormundung vor.

2. Abwandlung des Falles:

Herr Emsig ist inzwischen sehr alt geworden. Seine Frau ist verstorben. Zu seinen Kindern hat er kaum Kontakt. Er hat eine Bekannte, die sich liebevoll um ihn kümmert. Diese Bekannte muss feststellen, dass sie bei ihm neuerdings Rechnungen vorfindet, weil er an der Haustür irgendwelche Geschäfte abgeschlossen hat, die ihm nachher wieder leid tun. Sie stellt fest, dass er inzwischen zu willensschwach geworden ist, um sich gegen Vertreter, die an der Haustür klingeln und etwas verkaufen wollen, zu wehren. Geschäftsunfähig ist Herr Emsig wohl noch nicht. Er hat seiner Bekannten auch eine Generalvollmacht erteilt. Diese Vollmacht schützt ihn aber nicht, wenn er selbst irgendwelche Geschäfte abgeschlossen hat. Den Beweis, dass er bei dem Geschäft an der Haustür geschäftsunfähig gewesen sein sollte, müsste er selbst führen. Da hier die besten Vollmachten nichts helfen, wendet sich seine Bekannte an seinen Anwalt. Dieser Anwalt wendet sich mit ihr an das Betreuungsgericht und bittet um Einrichtung einer Betreuung mit dem Wirkungskreis "Überwachung der von Herrn Emsig persönlich vorgenommenen Handlungen, verbunden mit einem Einwilligungsvorbehalt". Das Gericht beabsichtigt einen Betreuer zu bestellen und zu beschließen, dass alle Geschäfte, die Herr Emsig persönlich vornimmt und den Wert von 100,00 € übersteigen, der Zustimmung des Betreuers bedürfen.
Wer wird aber nun Betreuer für Herrn Emsig?
Der Betreuer wird vom Betreuungsgericht ernannt. Wenn Herr Emsig nichts darüber bestimmt hat, ist fraglich, ob hier seine Bekannte oder nicht jemand aus seiner Verwandtschaft oder ein ihm fremder Berufsbetreuer bestellt wird. Wenn er selbst aber seine Bekannte vorgeschlagen hat, hat das Betreuungsgericht diesem Vorschlag nach § 1897 Abs. 4 BGB zu entsprechen, wenn dies dem Wohl des Herrn Emsig nicht zuwiderläuft. Wenn Herr Emsig diese Bestimmung bereits schriftlich getroffen hat, nennt man dies eine

Betreuungsverfügung.

Sie wäre in diesem Fall nach § 1901 c BGB dem Betreuungsgericht abzuliefern, damit es die entsprechenden Ermittlungen anstellt und dann voraussichtlich wunschgemäß die Bekannte des Herrn Emsig in der beschriebenen Weise zur Betreuerin ernennen kann.

3. Abwandlung des Falles:

Herr Emsig hat seiner Bekannten umfassende Vollmachten auch im Hinblick auf alle ärztlichen Angelegenheiten erteilt. Er liegt schwer krank im Krankenhaus. Seine Bekannte ist aufgrund der ihr erteilten Vorsorgevollmacht (siehe oben) befugt, mit den Ärzten alles zu besprechen. Der behandelnde Arzt eröffnet ihr, dass er keine Hoffnung mehr machen kann. Herr Emsig würde nie wieder zu sich kommen und das Bewusstsein erlangen. Die Ärzte wären aber in der Lage, ihn noch Jahre lang am Leben zu erhalten, indem sie ihn weiterhin künstlich ernährten. Die Bekannte von Herrn Emsig sagt dem Arzt, dass eine solche künstliche Lebensverlängerung nicht im Sinne des Herrn Emsig sei. Der Arzt steht vor der Frage, ob er dieser Äußerung glauben darf oder nicht. Die Bekannte legt dem Arzt die Urkunde vor, in der Herr Emsig sie umfassend bevollmächtigt hat. Als Anlage dazu befindet sich eine Urkunde mit der Überschrift

Patientenverfügung.

Darin steht u.a., dass Herr Emsig auf keinen Fall weiter künstlich am Leben erhalten bleiben will, wenn mit hinreichender Sicherheit festgestellt wird, dass er nie wieder das Bewusstsein erlangt. Der Arzt erörtert mit der Bevollmächtigten dies. Sie versichert dem Arzt, dass sie noch vor der Einlieferung in das Krankenhaus mit Herrn Emsig über diese Patientenverfügung gesprochen habe und dass er ihr nochmals gesagt habe, auf keinen Fall Jahre lang bewusstlos am Tropf hängen zu wollen. Der Arzt ist überzeugt davon und stellt die Maschinen ab. Niemand wird dem Arzt einen Vorwurf machen können.

Damit bin ich beim Hauptthema dieses Vortrages, nämlich der

Patientenverfügung.

In den telefonischen Vorgesprächen mit Frau Renken bin ich davon ausgegangen, dass die Patientenverfügung mein eigentliches Hauptthema ist. Ich komme gleich auf die Einzelheiten dieses Themas, nämlich den Inhalt und die Wirkung einer Patientenverfügung, zurück, möchte jedoch zunächst einmal zusammenfassen:

Auch ohne besonderen Anlass, der eine Betreuung rechtfertigen würde, ist es sinnvoll, Vollmachten zu erteilen. Üblicherweise erteilen beispielsweise Eheleute einander eine Generalvollmacht, die in jeder Situation ausgenutzt werden kann.

Wenn eine Vollmacht auch oder nur für den Fall erteilt wird, dass man seine eigenen Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann, handelt es sich um eine Vorsorgevollmacht.

Eigentlich ist eine Betreuung dann in aller Regel unzulässig. Wenn aber doch eine Betreuung erforderlich ist, ist es sinnvoll, dass man auch den Betreuer bestimmt. Dies ist dann eine Betreuungsverfügung.

Wenn wir Bestimmungen darüber treffen, ob in bestimmten Situationen medizinische Maßnahmen stattfinden sollen oder unterlassen werden sollen, errichten wir eine Patientenverfügung.

Den Oberbegriff für alle Verfügungen:

Vorsorgeverfügungen

verwendet beispielsweise die Bundesnotarkammer. Die Bundesnotarkammer hat eine Datenbank eingerichtet, bei der alle Verfügungen der vier genannten Arten registriert werden können. Wir Notare empfehlen in der Regel, die bei uns beurkundeten Vorsorgeverfügungen dort registrieren zu lassen.

Nun aber zur

Patientenverfügung:

Geregelt ist sie in den §§ 1901 a und 1901 b BGB. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch § 1904 BGB.

II Form und Inhalt einer Patientenverfügung

Der Inhalt einer Patientenverfügung ist geregelt in § 1901 a BGB. Sie kann nur von einem einwilligungsfähigen Volljährigen nur in schriftlicher Form (Handschrift ist nicht erforderlich) errichtet werden. Sie kann jederzeit formlos, also mündlich widerrufen werden. Sie muss beinhalten, dass bestimmte zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe akzeptiert oder untersagt werden.

Ein 17-jähriger kann also noch keine Patientenverfügung errichten - es sei denn, das Bundesverfassungsgericht erklärt diese Einschränkung für verfassungswidrig. Wen diese Frage interessiert, der mag sie nach Ende dieser Veranstaltung mit mir erörtern.

Wie sieht eine Patientenverfügung aus?

Bei meinen Beurkundungen verwende ich eine Patientenverfügung, die - wie mir einmal in einer Fortbildung berichtet wurde - von der evangelisch-lutherischen Landeskirche Bayern stammen soll. Sie ist aber auch fast identisch mit dem Text, der mir zur Vorbereitung von Herrn Boi zur Verfügung gestellt wurde. Er lautet:

PATIENTENVERFÜGUNG

der
Frau Michaela Mustermann, geb. Muster, geb. am 01.01.1951,
wohnhaft Musterstraße 1, 29633 Munster

nachträgliche Änderung des Manuskripts:

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 06.07.2016 XII ZB 61/16, BeckRS 2016, 14029 es für die Wirksamkeit der Patientenverfügung erforderlich gehalten, dass die vom Patienten abgelehnten Behandlungen konkret beschrieben werden. In einer weiteren Entscheidung vom vom 08.02.2017 XII ZB 604/15 hat er dies etwas abgemildert. Dennoch empfiehlt es sich, für größtmögliche Sicherheit zu sorgen, auch um allen Beteiligten ein gerichtliches Verfahren zu ersparen. Der Text könnte jetzt z.B. lauten:

Für den Fall, dass ich aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinstrübung durch Krankheit, Unfall oder sonstige Umstände nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äussern, verfüge ich:

Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens, insbesondere ohne die nachstehend beschriebenen Beeinträchtigungen, besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten.

Dagegen wünsche ich, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn durch zwei unabhängig voneinander zu beauftragende Ärzte medizinisch eindeutig festgestellt ist,

- dass ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde, oder

- dass ich mich im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befinde, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist, oder

- dass - nach einer Beobachtungszeit von ??3 Monaten - keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, wobei ich mir bewusst bin, dass in solchen Situationen die Fähigkeit zu Empfindungen erhalten sein kann und dass ein Aufwachen aus diesem Zustand nicht ganz sicher auszuschließen, aber unwahrscheinlich ist, oder

- dass aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt, insbesondere dass in Folge einer Gehirnschädigung meine Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, aller Wahrscheinlichkeit nach unwiederbringlich erloschen ist, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist (dies gilt für direkte Gehirnschädigung z. B. durch Unfall, Schlaganfall oder Entzündung ebenso wie für indirekte Gehirnschädigung z. B. nach Wiederbelebung, Schock oder Lungenversagen, wobei ich mir bewusst bin, dass in solchen Situationen die Fähigkeit zu Empfindungen erhalten sein kann und dass ein Aufwachen aus diesem Zustand nicht ganz sicher auszuschließen, aber unwahrscheinlich ist), oder

- dass es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt, insbesondere dass ich in Folge eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses (z. B. bei Demenzerkrankung) auch mit ausdauernder Hilfestellung nicht mehr in der Lage bin, Nahrung und Flüssigkeit auf natürliche Weise zu mir zu nehmen, ich insbesondere nur von Schläuchen und Drähten abhängig bin und dadurch kein selbst bestimmtes Leben habe, oder

- dass ein Krankheitszustand vorliegt, den ich vorstehend nicht ausdrücklich erwähnt habe, der aber den erwähnten Krankheitszuständen ähnlich ist oder entspricht.

Behandlungen und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst, Atemnot und Übelkeit gerichtet sein. Die Möglichkeit einer Bewusstseinsdämpfung oder einer Verkürzung meiner Lebenszeit durch diese Maßnahmen nehme ich in Kauf. Dagegen sollen in diesen Fällen lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, die nur den Todeseintritt verzögern und dadurch mögliches Leiden unnötig verlängern würden, sowie Wiederbelebungsmaßnahmen unterbleiben bzw. sofort abzubrechen sind, es sollen in diesen Fällen insbesondere

keine lebenserhaltenden Medikamente gegeben werden,

keine künstliche Beatmung - ausgenommen zur Linderung von Luftnot -

keine künstliche Ernährung über eine Magensonde, durch den Mund, die Nase, die
Bauchdecke oder über die Vene,

keine Dialyse,

keine Bluttransfusion - ausgenommen zur Linderung meiner Beschwerden.

Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung oder einem Hospiz.

Ich bitte um menschliche und seelsorgerliche Begleitung.

??Meine Organe dürfen nach meinem Tod nur dann zu Transplantationszwecken entnommen werden, wenn einer meiner Bevollmächtigten dem zuvor zugestimmt hat. Komme ich nach ärztlicher Beurteilung bei einem sich abzeichnenden Hirntod als Organspender in Betracht und müssen dafür ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden, die ich in meiner Patientenverfügung ausgeschlossen habe, gehen die Bestimmungen in meiner Patientenverfügung vor.
??Meine Organe dürfen nach meinem Tod nicht entnommen werden.

Buchholz, den .................. ................................................................

Bestätigung: Ich habe heute die vorstehende Patientenverfügung noch einmal aufmerksam durchgelesen. Sie entspricht - mit etwaigen von mir oben handschriftlich gemachten Abänderungen, die ich jeweils mit Datum und meiner Unterschrift versehen habe - auch noch meinem heutigen Willen - .

..................., den ............. .............................................................
Unterschrift Frau Michaela Mustermann,

Dieser Text hat den Vorteil, dass er allgemein verständlich ist. Vielleicht sehen Sie einen Nachteil darin, dass er sehr allgemein gehalten ist und werdende Begriffe enthält wie "erträgliches Leben", "angemessene Möglichkeiten", "schwerer Dauerschaden des Gehirns", "dauernder Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers". Dazu muss ich darauf hinweisen, dass wir nicht hellsehen können und nicht sämtliche Situationen , die denkbar sind, vorhersehen können oder auch gar regeln können. Sinnvoll erscheint mir, bei einem Krankenhausaufenthalt eine Patientenverfügung am besten als Teil einer umfassenden Vorsorgeverfügung mit auf die Station zu nehmen und mit dem zuständigen Arzt zu besprechen - am besten vor einem ärztlichen Eingriff und notfalls mit dem Arzt anhand dessen Beratung zu ergänzen und nochmals zu unterschrieben.

III Welche Wirkung hat die Patientenverfügung?

Nach § 1904 Abs. 1 und Abs. 2 BGB bedarf die Einwilligung in risikoreiche ärztliche Maßnahme, aber eben auch die Untersagung von ärztlichen Maßnahmen, die medizinisch angezeigt sind, wenn sie vom Patienten nicht selber erklärt wird, sondern durch einen Betreuer oder einen Bevollmächtigten der Zustimmung des Betreuungsgerichts. Das Verfahren dafür ist jetzt seit September 2009 in § 298 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und den Angelegenheiten der der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt. Danach soll das Gericht bei solchen Entscheidungen die sonstigen Beteiligten anhören und vor der Genehmigung auch noch ein Sachverständigengutachten einholen. Der Sachverständige soll nicht auch der ausführende Arzt sein. Rechtsprechung zu dieser Bestimmung kann ich noch nicht vortragen, weil sie ganz neu ist. Die bisherige Rechtsprechung wird man heranziehen können. Danach wird diese Bestimmung zum Beispiel laut einem mir vorliegenden Kommentar zum FamFG auch angewandt, wenn beispielsweise eine künstliche Ernährung abgebrochen wird. Zu befürchten ist, dass ein solches Verfahren unter Umständen die Leidenszeit aller Betroffenen erheblich verlängern kann.

Glücklicherweise hat der Gesetzgeber in § 1904 Abs. 4 BGB von dem Erfordernis der Genehmigung abgesehen, wenn zwischen dem Betreuer bzw. Bevollmächtigten und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Entscheidung dem nach § 1901 a BGB festgestellten Willen des Betreuten entspricht.

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten:

Es muss einen für diesen Wirkungskreis bestellten Bevollmächtigten oder sonst einen mit erheblichem Zeitaufwand zu bestellenden Betreuer geben. Dieser muss zu einem Einvernehmen mit dem Arzt kommen. Der Wille des Patienten muss gemäß § 1901 a BGB festgestellt werden. Darin liegt dann also der Schlüssel zur Vermeidung eines aufwändigen gerichtlichen Verfahrens.

In § 1901 a Abs. 1 BGB ist geregelt, dass der Betreuer bzw. der Bevollmächtigte dem in der Patientenverfügung schriftlich festgelegten Willen Ausdruck und Geltung zu verschaffen hat.

In § 1901 a Abs. 2 BGB ist der Fall geregelt, dass keine Patientenverfügung vorliegt oder die Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Dann hat der Betreuer bzw. Bevollmächtigte die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Patienten festzustellen und zu entscheiden. Dazu heißt es weiter, "zu berücksichtigen seien insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten."

Klargestellt ist auch in Abs. 3, dass dies alles unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung gilt. Das bedeutet, dass auch dann, wenn der Todeszeitpunkt noch weit entfernt liegt, eine Patientenverfügung durchaus Beachtung finden kann.

Das eben schon angesprochene Gespräch zwischen dem Arzt und dem Betreuer bzw. Bevollmächtigten ist in § 1901 b BGB geregelt. In dessen Abs. 2 heißt es, "es soll auch nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten bzw. Bevollmächtigten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist."

Aus der mir vorliegenden Kommentierung, der noch keine Rechtsprechung zugrunde liegt, entnehme ich daraus Folgendes:

1. Wenn keinerlei Verfügung eines Patienten vorliegt, muss der Arzt im Zweifel für das Leben entscheiden und alle lebensverlängernden Maßnahmen ergreifen, die medizinisch angezeigt sind. Dies ergibt sich aus dem Vorrang des Grundrechts auf Leben über dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

2. Hat der Patient sich irgendwann schon vorher dahingehend geäußert, dass man den Schluss daraus ziehen kann, er möchte in der entsprechenden Situation nicht künstlich am Leben erhalten bleiben, kann der Bevollmächtigte, aber auch ein vom Gericht eingesetzter Betreuer, wenn er die entsprechenden Informationen hat, den Versuch unternehmen, den Arzt davon zu überzeugen. Nach dem Gesetzestext müsste eigentlich eine solche Überzeugung des Arztes ausreichen, um ihn zu veranlassen, eine lebensverlängernde Maßnahme abzubrechen, ohne das Gericht anzurufen. Aus der hier vorliegenden Kommentierung zu § 1904 BGB entnehme ich jedoch, dass dies wohl nur gehen soll, wenn eine Patientenverfügung vorliegt. Bis darüber keine Gerichtsentscheidung eines oberen Gerichts vorliegt, kann ich jedem Arzt nur raten, insoweit Vorsicht walten zu lassen.

Dazu noch einmal ein allgemeiner Hinweis:

Dem Arzt droht bei einer falschen Entscheidung in jeder Richtung strafrechtliche Verfolgung:

a) Unterlässt er gegen den Willen lebenserhaltende Maßnahmen oder bricht sie ab, begeht er ein strafbares Tötungsdelikt.

b) Ergreift er gegen den Willen eines Patienten lebensverlängernde Maßnahmen, setzt z. B. eine Magensonde oder gibt eine Spritze, ist dies eine strafbare Körperverletzung.

3. Liegt eine Patientenverfügung vor und gelingt es dem Betreuer bzw. Bevollmächtigten, den Arzt davon zu überzeugen, dass die Patientenverfügung den konkreten Fall erfasst, wird der Arzt geneigt sein, dem Patienten bzw. der Familie eine lange unzumutbare Quälerei zu ersparen und ist bereit, die vom Patienten nicht gewünschten lebensverlängernden Maßnahmen erst gar nicht zu ergreifen oder auch abzubrechen.

IV Was soll ich als (künftiger) Patient tun?

Ich kann eigentlich nur jeder Person raten, nach Möglichkeit umfassend Vorsorge zu treffen.

Nach Möglichkeit sollte jeder Mensch mindestens eine Vertrauensperson haben, die für ihn im Notfall handelt.

Nach Möglichkeit sollte sie eine eine umfassende Vorsorgeverfügung errichten.
Ich empfehle sogar die notarielle Beurkundung. Bei mir ist die Patientenverfügung eine Anlage. Ich bespreche sie . wie wohl auch jeder andere Notar - sehr eingehend mit den Beteiligten und ändere sie und ergänze sie nach deren Wünschen. Ich habe auch einen weiteren Text für eine wesentlich umfangreichere Patientenverfügung. Einzelne Passagen dieses Textes werden dann manchmal auch ganz gerne in den kurzen Text, den ich oben vorgetragen habe, übernommen. Gerade das ausführliche Gespräch mit dem Notar ist eine Hilfe, wenn der Bevollmächtigte das Gespräch mit dem Arzt führen muss. Es liegt dann ein notarielles Protokoll vor, in dem der Notar bestätigt, dass der Patient geschäftsfähig war und dass der Patient mit dem Notar die Einzelheiten der Patientenverfügung erörtert hat. Besser kann man dies ja wohl kaum glaubhaft machen. Außerdem empfehle ich, in einem zeitlichen Abstand von etwa 1 - 2 Jahren die Patientenverfügung noch einmal vorzunehmen und zu aktualisieren. Auch eine solche schriftliche Aktualisierung hat eine Beweiskraft gegenüber dem Arzt, wenn es zu einem Gespräch über diese Dinge kommt.

V. Schlußbemerkung

Abschließend möchte ich nochmals auf die eingangs gemachte Bemerkung zurück kommen, dass das Thema irgendwie als unangenehm angesehen wird und daher vielfach verdrängt wird. Es gibt ja wohl auch den Aberglaube, "wenn man sein Testament mache, müsse man bald darauf sterben." In Wirklichkeit gilt doch:

Wer für die leider im Leben doch manchmal auftretenden kritischen Situationen Vorsorge getroffen hat, hat nicht nur sich, sondern auch seinen Angehörigen damit einen sinnvollen Dienst erwiesen und kann dann wohl auch ruhiger schlafen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.