Erbrecht und Vermögensnachfolge

Vortrag im Rahmen einer Veranstaltung der Deutschen Bank, Filiale Buchholz-
Privatkundenservice, 27.8.2007
- Die darin enthaltenen erbschaftsteuerlichen Ausführungen sind durch Gesetzesänderungen teilweise überholt -

Ich bedanke mich, dass ich Gelegenheit erhalte, zu den Fragen der Erbfolge und der Vermögensnachfolge insgesamt zu Ihnen zu sprechen. Es gibt keinen Menschen, der mit Erben und Vererben nichts zu tun hat. Auch wer ein geringes Vermögen hat, wird, wenn er einmal verstirbt, von irgend jemandem beerbt werden. Auch wenn das Thema bisher weithin verdrängt wurde, ist doch ein wachsendes Interesse daran zu bemerken, zumal ja auch jeder daran interessiert sein sollte, dass sein Vermögen so weitergegeben wird, wie er sich das vorstellt. Nach einer EMNID-Umfrage soll etwa jeder fünfte Erbfall zu Streit führen. Das sollte Anlass genug sein, sich um die Rechtsnachfolge zu kümmern. Ich werde Ihnen heute nicht darstellen, wie Sie in einem Erbfall alle auftretenden Probleme lösen können, sondern wie Sie solche Probleme für Ihre Hinterbliebenen am besten vermeiden.

Ich möchte Ihnen hierzu natürlich keinen juristischen Vortrag halten, sondern nach Möglichkeit diejenigen Fragen beantworten, die in der Praxis immer wieder gestellt werden. Das Erbrecht ist eine derart vielfältige Materie, dass selbst Juristen damit erhebliche Schwierigkeiten haben. Erst recht nimmt es deshalb nicht wunder, dass unter Laien die Regelungen unseres Erbrechts weithin unbekannt und geradezu überraschend sind.

Dazu ein
Experiment:

Bitte gehen Sie - auch wenn es für Sie nicht zutrifft - einfach davon aus:

Sie sind bzw. wären verheiratet, hätten mehrere Kinder und würden ein Testament errichten, in dem es hieße:

"Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein.
Nach unser beider Tod sollen unsere Kinder zu gleichen Teilen Erben sein."

Ein solches Testament nennt man Berliner Testament. Es ist in § 2269 BGB geregelt. Woher der Name kommt, kann ich auch nicht erklären. Wer von Ihnen würde sich gerne das Recht vorbehalten, als Längstlebender noch etwas daran zu ändern, z.B. wenn ein Kind sich nicht um sie kümmern würde oder Sie richtig ärgern würde, dessen Erbteil zumindest zu verringern?(Ich gehe davon aus, dass sich jetzt die Mehrheit gemeldet hat.)

Der Gesetzgeber hat in § 2270 Abs. 2 in Verbindung mit § 2271 Abs. 2 BGB genau das Gegenteil angenommen und bestimmt, dass im Zweifel keine Änderung für den Längstlebenden zu Lasten eines Kindes möglich sind .

- Sie können übrigens die Bestimmungen des BGB im Internet unter der Seite des Bundesjustizministeriums - http://bundesrecht.juris.de/aktuell.html - einsehen. - Der Text ist leider nicht so verständlich, wie ich ihn eben gerade "übersetzt" habe. Das gilt natürlich für das gesamte Erbrecht und leider nicht nur dafür.

Ich werde Ihnen daher - wie gesagt - keine juristischen Einzelheiten darstellen, sondern mich nur mit denjenigen Sachverhalten befassen, die Sie meiner Meinung nach interessieren werden.

Dabei werde ich versuchen, Ihnen jeweils soviel Hilfestellung zu geben, dass Sie zumindest wissen, wo Probleme entstehen können, in welche Richtung Ihre Lösung gehen könnte
und an wen Sie sich wenden sollten.

Ich möchte Sie ermutigen, während des Vortrages Fragen zu stellen, denn für mich ist wichtig, dass Sie von diesem Vortrag auch etwas mit nach Hause nehmen. Bitte haben Sie aber Verständnis dafür, dass ich hier keine Ratschläge zu Ihrem speziellen Fall erteilen werde. Eine Rechtsberatung sollte immer in einem vertraulichen Gespräch mit dem Juristen Ihres Vertrauens erfolgen - sei es ein Rechtsanwalt oder sei es ein Notar bzw. ein Anwaltsnotar. Dazu gehört ja auch, dass der gesamte Sachverhalt eingehend besprochen wird und dann im Gespräch mit wechselnden Fragen und Antworten eine Lösung entwickelt wird. Dies ist hier natürlich nicht möglich.

Sollten Sie Fragen allgemeiner Art haben, die die Mehrzahl der Zuhörer nicht interessiert, werden wir diese Fragen nach dem Ende dieser Veranstaltung noch in kleinerem Kreis ansprechen können. Es muss sich dann aber jeweils nur um eine Frage allgemeiner Art handeln und - wie gesagt - nicht um die Lösung Ihres konkreten Falles.

Wann besteht Bedarf für eine Vermögensnachfolgeregelung? Wenn Sie gar nichts unternehmen, also keinerlei letztwillige Verfügung errichten, werden Sie gesetzlich beerbt. Sie werden fragen, wo besteht dann überhaupt Handlungsbedarf? Ich werde Ihnen daher darlegen, aus welchen Gründen und in welchem Umfang in unterschiedlichen familiären und wirtschaftlichen Situationen Handlungsbedarf bestehen könnte und was bei den Lösungen zu bedenken wäre:

Allein stehende Person - 1 Kind:

Eine allein stehende Person, die beispielsweise nur 1 Kind hat, wird kaum einen Bedarf sehen, ein Testament zu errichten, weil dieses Kind kraft Gesetzes automatisch Alleinerbe wird. Das sieht aber schon etwas anders aus, wenn beispielsweise Grundbesitz vorhanden ist. Dann würde dieses Kind nach Ihrem Tod einen Erbschein benötigen. Ein Erbschein kostet etwa doppelt so viel, wie ein notarielles Testament. Die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch ist allerdings in jedem Fall kostenfrei - sei es nach einem notariellen Testament - sei es nach einem Erbschein. Sofern Konten vorhanden sind, kann man durch Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall den Übergang des Guthabens auf das Kind oder jeden anderen Erwerber regeln. Die Kreditinstitute haben Formulare darüber.

Auch wenn nun kein Grundbesitz vorhanden ist und alles hinsichtlich der Konten beim Kreditinstitut geregelt ist, sollte man auch an den Fall denken, dass man infolge Erkrankung oder Alters so dement werden könnte, dass man seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, für diese Fälle einer Vertrauensperson eine Vollmacht zu erteilen. Solche Vollmachten haben wachsende Bedeutung. Sie werden in der Regel ganz umfangreich als sogenannte Vorsorgeverfügungen erteilt, beinhalten dann eine Generalvollmacht, eine Vorsorgevollmacht, die eine Betreuung überflüssig machen soll, eine Betreuungsverfügung, d. h. die Bestimmung einer Person zum Betreuer, wenn sich eine Betreuung nicht vermeiden lässt sowie häufig als Anlage auch eine Patientenverfügung, also eine Bestimmung darüber, in welchen Situationen man keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr wünscht.

Eine solche Verfügung vermeidet in aller Regel die Einsetzung eines gerichtlichen Betreuers. Man sollte aber mit seiner Bevollmächtigten oder seinem Bevollmächtigten auch eingehend besprechen und nach Möglichkeit auch niederlegen, in welcher Hinsicht der Betreffende tätig sein soll. Manchmal ist es ja gar nicht so falsch, seinem Kind eine Vollmacht zu erteilen auch mit der Maßgabe, dass es Vermögen auf sich selbst übertragen kann, beispielsweise, um noch einiges Vermögen "zu retten", das anderenfalls infolge hoher Pflegebedürftigkeit an Sozialleistungsträger gehen würde.

Eine Vorsorgeverfügung bedarf übrigens nicht der Beurkundung. Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch die Beurkundung. Sie ist auch nicht sehr teuer. Noch gibt es in Deutschland kein Gesetz über Patientenverfügungen, wie es z.B. Österreich hat. Unter Umständen ist schon deshalb die Beurkundung der ganzen Vorsorgeverfügung empfehlenswert, denn es gibt wohl kaum etwas Überzeugenderes in Zweifelsfragen als das Protokoll eines Notars, der bescheinigt, die Einzelheiten mit dem Betroffenen eingehend erörtert zu haben und sich von seiner Geschäftsfähigkeit und seinem freien Willen überzeugt zu haben.

Dazu ist noch ergänzend anzumerken, dass - insbesondere bei Kontenvermögen - die Abwicklung des Nachlasses zusätzlich zu einem privatschriftlichen Testament noch dadurch erleichtert werden kann, dass die Vollmachten über den Tod hinaus erteilt werden.

Das Formular der Deutschen Bank für die Konto-/Depotvollmacht Nr. E 608 09 01 ist zum Beispiel eine solche Vollmacht - aber Vorsicht: eine solche Vollmacht beinhaltet noch nicht die Übertragung des Guthabens sondern nur die Befugnis zur Verfügung und kann auch jederzeit widerrufen werden. Wer eine solche Vollmacht hat und nicht Alleinerbe ist, darf also nicht alles für sich vereinnahmen.

Die von mir schon dargelegten Vorsorgevollmachten werden in aller Regel auch mit einer über den Tod hinaus reichenden Generalvollmacht verbunden. Damit kann vielfach der Nachlass abgewickelt werden. Allerdings ist der Verkauf eines Nachlassgrundstückes mit einer solchen Vollmacht mit erheblichen Risiken verbunden. Dazu kann ich nicht raten. Es bleibt also dabei, dass ein Grundbesitzer sein Testament beurkunden lassen sollte.

Bei größeren Vermögen kann die Erbschaftsteuer eine Rolle spielen. Dazu ein Beispiel:

E hat einen Sohn, der wiederum 5 Kinder hat und selbst auch durchaus vermögend ist. E hat ein Vermögen von 450.000,00 €. Unternimmt er nichts und stirbt, entsteht für seinen Sohn folgende Erbschaftsteuer:

Nachlass: 450.000,00
Pauschale f. Bestattung -10.000,00
Rest: 440.000,00
abzüglich Freibetrag: -205.000,00
zu versteuern: 235.000,00
Steuer der Klasse I : - 11 %: 25.850,00

Vermeidung der Steuer: E bestimmt z.B. in einem Testament:

Mein Sohn hat als Erbe im Wege eines Vermächtnisses meinen fünf Enkeln jeweils einen Geldbetrag in Höhe des erbschaftsteuerlichen Freibetrages auszuzahlen.

Die Rechnung sieht dann nach gegenwärtigem Erbschaftsteuerrecht (das geändert werden muß - darauf komme ich noch später zurück) wie folgt aus:

Nachlass: 450.000,00
Pauschale f. Bestattung -10.000,00
Rest: 440.000,00
abzüglich Wert der Vermächtnisse
5,00 * 51.200,00 = -256.000,00
restlicher Nachlass: 184.000,00
abzüglich Freibetrag: -205.000,00
zu versteuern: 0,00
Es fällt also keine Steuer an.

Ein solches Testament lässt sich auch ohne Notar errichten. Es muß dann von Ihnen persönlich mit der Hand geschrieben werden und unterschrieben werden, um wirksam zu sein, und sollte auch noch Zeit und Ort der Errichtung wiedergeben (§ 2247 BGB). Sollte allerdings Grundbesitz vorhanden sein, empfiehlt sich - wie bereits ausgeführt - die notarielle Beurkundung.

Hier möchte ich noch nachtragen, warum ich ein Vermächtnis empfohlen habe und nicht von Miterbe gesprochen habe:

Alle Miterben sind zusammen als Erbengemeinschaft Träger aller Rechte und Pflichten des Nachlasses, Vermächtnisnehmer dagegen nicht: Sie haben nur einen Anspruch gegen den oder die Erben auf Erfüllung des Vermächtnisses. Dass im gerade geschilderten Fall die Enkel noch nicht mitbestimmen sollen,liegt auf der Hand. Auf die Nachteile einer Erbengemeinschaft komme ich noch zu sprechen.

Dasselbe steuerliche Ergebnis läßt sich in dem gerade geschilderten Fall auch durch den schon oben angesprochenen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall erreichen. Dabei kann man sich auch vorbehalten, bis zu seinem Tod über das Guthaben noch zu verfügen.

Ich fasse vorläufig zusammen:

Auch wer eine ganz klare Erbfolge zu erwarten hat, sollte nach Möglichkeit eine Vorsorgeverfügung errichten. Eine notarielle Beurkundung ist empfehlenswert.

Wer eine Immobilie zu vererben hat, sollte sein Testament notariell beurkunden lassen.

Aus erbschaftsteuerlichen Gründen kann es sich empfehlen, weitere Personen, zu bedenken, die sonst nichts erhalten würden. Dazu ist eine Verfügung erforderlich, und zwar ein Testament oder ein Vertrag zugunsten Dritter für den Todesfall.

Über Konten können Sie auch durch Vertrag zugunsten Dritter verfügen.

Zur Abwicklung Ihres Nachlasses können Sie Vollmachten über den Tod hinaus erteilen.

Allein stehende Personen mit mehreren Kindern:

Wenn schon eine Einzelperson mit einem Kind, also der klarste erbrechtliche Fall, durchaus Handlungsbedarf hat, gilt dies erst recht bei einer Einzelperson, die mehrere Kinder hat. Sollte Sie beispielsweise zwei oder mehr Kinder haben, die einmal Ihr Vermögen erben sollen, werden Sie sicher daran interessiert sein, dass zwischen diesen Kindern kein Streit besteht. Würden Sie kein Testament errichten, würden Ihre Kinder eine Erbengemeinschaft bilden, an der sie zu gleichen Teilen beteiligt sind. Erbengemeinschaften bringen sehr viel Probleme mit sich. Jeder Miterbe kann eine vernünftige Verwaltung erheblich erschweren. Die Rechtsordnung gibt zwar durchaus Hilfen; man muss jedoch im Streitfall das Gericht bemühen. Es ist durchaus vorgekommen, dass durch Streitigkeiten zwischen Miterben ein großer Teil des Nachlasses durch Prozesskosten aufgebraucht wurde.

Deswegen gilt der allgemeine Rat,

nach Möglichkeit eine Erbengemeinschaft zu vermeiden oder Testamentsvollstreckung anzuordnen, so dass nach Möglichkeit nur eine Person die Entscheidungen zu treffen hat, ohne dass die anderen Beteiligten dies blockieren können.

Also empfiehlt es sich, ein Testament zu errichten.

Ein privatschriftliches Testament kann leicht zu Missverständnissen führen. Das deutsche Erbrecht sagt, dass immer dasjenige gilt, was der Erblasser in Wirklichkeit gewollt hat, wenn es nur irgendwie im Testament Andeutung gefunden hat. Das bedeutet, dass eine Vielzahl von Prozessen sich mit der Auslegung von Testamenten befasst. Es werden unter Umständen Zeugen vernommen, die sich dann dazu äußern sollen, wie der Erblasser über die anstehenden Fragen gedacht hat. Solche Verfahren sind natürlich sehr langwierig und teuer. Sie können auch eine Familie völlig entfremden. Dies sind alles Argumente, bei der Abfassung des Testamentes zumindest juristischen Rat hinzuzuziehen, selbst wenn eine Beurkundung nicht erforderlich ist.

Dazu gebe ich noch einen unjuristischen - rein menschlichen - Rat:

Sie können mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas für den Familienfrieden tun, wenn Sie Ihre Kinder in Ihre Gestaltungsüberlegungen mit einbeziehen.

Die Mehrzahl von Erbschaftsprozessen wird meiner Meinung nach nicht aus wirtschaftlichen Interessen geführt, sondern aus menschlichen Emotionen, insbesondere aus Enttäuschung, nicht gefragt zu sein, häufig auch dem Verdacht, dass etwas hinter dem Rücken eines Beteiligten geregelt wurde und dabei unfairer Einfluss ausgeübt wurde.

Allein stehende Personen ohne Kinder:

Wenn Sie allein stehend sind und auch keine Kinder und Kindeskinder haben, besteht für sie natürlich auch das Interesse an einer Vorsorgeverfügung; Sie sind aber möglicherweise an der Erbfolge nicht so sehr interessiert. Wenn Sie ein Interesse daran haben, dass Ihre Verwandten über Ihren Nachlass ohne Streit und unbürokratisch verfügen können, gilt das vorher gesagte auch für Sie. Gerade hier liegen wegen der geringen Freibeträge erst recht Regelungen nahe, um den Hinterbliebenen möglichst Erbschaftsteuer zu ersparen.

Eheleute:

Bei Eheleuten gilt nicht nur das vorher Gesagte, sondern es besteht so gut wie immer Bedarf für eine letztwillige Verfügung. Unterbleibt sie, beerben sich nicht etwa der die Eheleute allein. Die Kinder werden bereits Miterben und zwar beim gesetzlichen Güterstand zur Hälfte des Nachlasses. Aber auch wenn keine Kinder vorhanden sind, kann es Miterben geben, nämlich die Eltern des verstorbenen Ehegatten bzw. an deren Stelle die Geschwister oder die Abkömmlinge von Geschwistern, also Neffen und Nichten, unter Umständen sogar Großneffen und Großnichten.

Jeder Miterbe könnte die Erbauseinandersetzung verlangen und z.B. gemäß § 180 ZVG die Versteigerung des Familienheimes betreiben. Der längstlebende Ehegatte hätte daran kein Vorrecht.

Ich kenne kein Ehepaar, dass mit solch einer Situation einverstanden wäre. Alleinerbschaft würde es nur geben, wenn die Eltern des Ehegatten verstorben sind und auch keine Geschwister bzw. jemand aus dem Stamm von Geschwistern vorhanden ist.

Ganz vorsorglich möchte ich noch klarstellen, dass auch nichteheliche Kinder erbberechtigt sind. Hier besteht natürlich meistens erst recht Bedarf, die Erbfolge zu regeln.

Eheleute wollen in der Regel in erster Linie dafür sorgen, dass der Längstlebende angemessen versorgt ist, und in zweiter Linie bestimmen, was im Übrigen zu geschehen hat.
Wie sie dabei vorgehen sollten, möchte ich in dem folgenden Abschnitt vortragen. Die Ausführungen lassen sich auch auf andere Konstellationen gut übertragen, in denen eine Nachfolgeplanung nicht so einfach ist wie in den eingangs geschilderten Fällen.

Was ist zu tun?
Nachdem ich Ihnen geschildert habe, inwiefern Handlungsbedarf bestehen kann und auch einige Lösungen genannt habe, möchte ich Ihnen allgemein darlegen, wie Sie sinnvoll vorgehen können, um Ihre Probleme zu lösen. Dabei kann ich nicht auf jede Situation eingehen und möchte mich daher mit dem häufigsten Fall befassen, nämlich der Regelung der Vermögensnachfolge durch Eheleute. Dadurch beantworten sich vielfach auch Fragen aus einfacher gelagerten Fällen.

Was sollen also Eheleute tun, um ihre Vermögensfolge zu regeln?

1. Zuerst sollten sie sich darüber klar werden,
was im Falle des Todes des einen oder des anderen geschehen soll.

Sie sollten also die verschiedenen denkbaren Situationen durchspielen und nicht nur an ihre Idealvorstellung denken, dass sie beide vielleicht 85 Jahre alt werden und die Kinder und Kindeskinder einen normalen Lebensweg gehen, nicht krank werden oder verarmen oder auch nicht vorher versterben.

2. Sodann sollten sie sich auch juristischen Rat einholen.

Ich könnte fast Wetten eingehen, dass mindestens jedes zweite Testament, das Ehegatten mit der Hand gemeinsam errichtet haben, nicht hundertprozentig die Regelungen erbringen, die die Eheleute eigentlich damit bezwecken.

Auch dazu ein Beispiel - anknüpfend an das Experiment am Anfang diese Vortrags - :

"Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Der Längstlebende von uns kann frei verfügen. Nach seinem Tod sollen unsere beiden Kinder je zur Hälfte Erben sein."

Nachdem einer der Eheleute verstorben ist, möchte der andere ein Kind enterben, weil es ausgewandert ist und überhaupt keinen Kontakt mehr zu den Eltern gehabt hat. Eine solche Testamentsänderung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit unwirksam. Der Satz "Der Längstlebende von uns kann frei verfügen" wird von der Rechtsprechung ( für Fachleute: Nachweise im Kommentar Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Auflage 2007, § 2271, Rd.Nr. 22) - wenn keine anderen Anhaltspunkte bestehen - in der Weise ausgelegt, dass der Längstlebende nicht nur Vorerbe ist sondern unter Lebenden frei verfügen kann, also alles verkaufen und verbrauchen kann, dagegen aber kein anderweitiges Testament zu Lasten der Kinder machen kann.

Um ein anderes Testament errichten zu können, müßte er - wenn er das gemeinschaftliche Testament nicht anfechten kann (was in der Regel auch nicht geht) - die eigene Erbschaft ausschlagen. Wer weiß schon, dass man zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten in das Testament ausdrücklich eine entsprechende Ermächtigung für den Längstlebenden aufnehmen muß - z.B. : "Jeder von uns kann nach dem Tod des anderen seine Verfügungen ändern" - um nach dem Tod das anderen (nicht vorher!) ein Kind z.B. enterben zu können oder noch Testamentsvollstreckung anordnen zu können? Es empfiehlt sich also in jedem Fall, juristischen Rat einzuholen, damit das Testament so abgefasst wird, dass später kein Zweifel in derartigen Streitfragen auftreten kann. Unter Umständen wollen Eheleute ja auch keine völlige Freiheit für den Längstlebenden, damit er nicht im hohen Alter bei leichter Demenz von familienfremden Personen zu irgendwelchen geradezu unsinnigen Testamentsänderungen verleitet wird. Eine juristische Beratung kann hier Zwischenlösungen bringen, die Ihren Vorstellungen gerecht wird.

Für die Frage, ob das Testament beurkundet werden soll oder lediglich der juristische Rat ausreicht, gelten die Ausführungen, die ich bereits für einen einzelnen Erblasser gemacht habe.

Juristischer Rat sollte auch deshalb eingeholt werden, weil vielfach erhebliche Fehlvorstellungen über die gesetzliche Erbfolge bestehen. Nicht jedem ist bekannt, dass Stiefkinder bzw. Verwandte des Erstverstorbenen nach dem Längstlebenden nicht mehr erbberechtigt sind. Beispiel: Eheleute schreiben in ihr Testament:

"Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Regelungen für den Tod des Längstlebenden wollen wir nicht treffen."

Hier erben beim Tod des Längstlebenden nur dessen Verwandte, also nicht seine Stiefkinder. Sind überhaupt keine Kinder vorhanden, erben auch nur die entfernteren Verwandten des längstlebenden Ehegatten und nicht die Verwandten des Erstverstorbenen. Hier entscheiden dann also Zufälle darüber, welche Familie letztlich einmal das Vermögen erbt.

Ein weiterer Grund, juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen, sind die Pflichtteile. Auch insofern besteht weitgehend erhebliche Unkenntnis:
Allgemein bekannt ist, dass Kinder Pflichtteile haben und dass auch Eheleute, wenn sie nicht Erben geworden sind, Pflichtteile geltend machen können. Weniger bekannt ist dagegen, dass es auch bei kinderlosen Ehepaaren Pflichtteile geben kann: nämlich für die Eltern. Das kann z.B. von Bedeutung sein, wenn die Eltern im Pflegeheim sind und bereits Sozialleistungen erhalten. Der Sozialleistungsträger kann dann die Pflichtteile auf sich überleiten.

Pflichtteile sind zwingendes Recht. Man kann sie auch nicht durch ein noch so gutes Testament zu Fall bringen. Ich muss also mit dem teilweise noch verbreiteten Irrglauben aufräumen, Eheleute könnten durch ein Berliner Testament Pflichtteile der Kinder vermeiden. Kinder können tatsächlich einen Elternteil mit Pflichtteilen belangen, wenn der andere Elternteil gestorben ist.

Der Pflichtteil ist ein Anspruch gegen den Erben in Höhe des halben Wertes des gesetzlichen Erbteils. Beim gesetzlichen Güterstand beträgt der Pflichtteil der Kinder daher insgesamt 1/4.

In aller Regel braucht der Längstlebende von Ehegatten aber nicht sein Haus zu verkaufen, um Pflichtteile zu bezahlen. Für solche Fälle gibt es eine Härteregelung, also einen Anspruch auf Stundung zu angemessenen Bedingungen. Diese Regelung soll übrigens auch auf andere Erben, die nicht selbst pflichtteilsberechtigt sind, erweitert werden.

Erbschaftsteuer

Schließlich gibt es noch einen weiteren Grund, juristische Hilfe hinzuziehen, nämlich die Erbschaftssteuer. Das gilt natürlich nicht nur für Ehegatten, sondern auch für andere Beteiligte. Sie werden sicher alle wissen, dass unser Erbschaftssteuerrecht vom Bundesverfassungsgericht für grundgesetzwidrig erklärt worden ist. Es ist aber noch weiter anzuwenden, bis der Gesetzgeber eine neue Regelung schafft, was bis Ende 2008 geschehen muß.

Die noch geltende Regelung sieht in ihren Grundzügen folgendermaßen aus:

Schenkungssteuer und Erbschaftssteuer sind ein und die selbe gesetzliche Materie. Alles, was innerhalb von 10 Jahren von einer Person auf die andere unentgeltlich übergeht - sei es durch Schenkung oder durch Vererbung -, wird für die Berechnung der Steuer zusammengerechnet.

Eheleute haben einander gegenüber einen Freibetrag von 307.000,00 €.

Kinder haben gegenüber jedem Elternteil einen Freibetrag von jeweils 205.000,00 €.

Enkelkinder haben einen Freibetrag von 51.200,00 €.
Sollte aber der verbindende Elternteil dieses Enkelkindes bereits im Erbfall verstorben sein, beträgt der Freibetrag für das Enkelkind auch 205.000,00 €.

Bei größerem Vermögen kann das Berliner Testament hier schon Probleme bereiten. Beispiel:

Ehepaar mit einem Kind; jeder der Ehegatten hat ein Vermögen von 200.000,00 €.
Die Eheleute setzen sich gegenseitig als Alleinerben und das Kind als Erben des Längstlebenden ein (Berliner Testament).

Erster Erbfall: Freibetrag des Ehegatten: 307.000,00 also keine Erbschaftssteuer.

Zweiter Erbfall: Vermögen: 400.000,00 €
abzügl. Pauschale für Beerdigungskosten - 10.000,00 €
abzügl. Freibetrag - 205.000,00 €
zu versteuern 185.000,00 €

Steuerklasse I Steuersatz wegen der Höhe des Betrages 11 % = 20.350,00 €

Das Kind hat also nur einmal den Freibetrag, weil es nur vom Längstlebenden etwas geerbt hat.

Hier wären Überlegungen anzustellen, wie man dem Kind einen zusätzlichen Freibetrag bescheren kann. Das wäre z. B. möglich durch ein sogenanntes "Erbschaftssteuervermächtnis", z. B. :

"Ich wende hiermit meinem Kind im Wege eines Vermächtnisses einen Geldbetrag von ....€ zu. Dieses Vermächtnis fällt mit meinem Tode an, seine Erfüllung wird jedoch gestundet bis zum ....... Meine Erbin/Mein Erbe ist berechtigt, das Vermächtnis auch schon vorher zu erfüllen."

Der "Trick" einer solchen Regelung besteht darin, dass durch ein solches Vermächtnis das Kind letztlich von beiden Eltern etwas erhält, also zweimal den Freibetrag einsetzen kann. Durch geschickte Gestaltung lässt sich vielfach eine sonst entstehende erhebliche Erbschaftssteuer vermeiden.

Hier sollte im Übrigen nicht nur der allgemeine Jurist, sondern auch der Steuerrechtler befragt werden, denn es gibt hier erhebliche Fallstricke. Beispiel:

"Das Vermächtnis fällt bei meinem Tode an, es wird jedoch bis zum Tode meiner Ehefrau/meines Ehemannes gestundet und ist erst dann zu erfüllen."

Ein solches Vermächtnis bringt nämlich überhaupt nichts. Es wird im Erbschaftssteuerrecht so behandelt, als wenn der längstlebende Ehegatte alles erben würde und dann alles dem Kind vererben würde. Die Juristen bemühen sich, hier elegante Zwischenlösungen zu finden, damit der Längstlebende nach Möglichkeit nicht unbedingt zahlen muss. Zu diesen Fragen gibt es sehr viel Literatur und natürlich auch unterschiedliche Meinungen. Wenn aber schon die Juristen sich nicht sicher sind, was soll dann erst der juristische Laie machen? Er sollte nach Möglichkeit den Weg der größtmöglichen Sicherheit gehen und sich dabei beraten lassen.

Letztwillige Verfügung:

Nachdem wohl hinreichend klar geworden ist, dass in der Mehrzahl aller Fälle eine letztwillige Verfügung sich empfiehlt, möchte ich nochmals darauf hinweisen, wie man dabei vorgehen soll.

Da in der Mehrzahl der Fälle juristischer Rat erforderlich ist und auch vielfach steuerlicher Rat erforderlich ist, sollte man in folgender Reihenfolge vorgehen:

Zunächst sollte man - wie bereits oben gesagt - zunächst ohne juristische Überlegungen einmal durchspielen, was geschehen soll, wenn welche Person verstirbt. Dies gilt nicht nur für den Erblasser selber, sondern auch für diejenigen Personen, die als Erben vorgesehen sind, denn sie können ja möglicherweise vorversterben.

Eheleute müssen vor allen Dingen die Überlegung anstellen, welche Freiheiten der Längstlebende haben soll, insbesondere, ob er das gemeinsame Grundstück verkaufen können soll oder ob er es den Kindern oder anderweitigen Verwandten erhalten soll. Bei Ehegatten ist zu überlegen, ob der Längstlebende das Recht haben soll, die Kinder zu enterben oder zumindest Enkelkinder zu enterben bzw. andere Personen zu enterben, die als Schlusserben in dem Testament vorgesehen sind.

Mit den so entwickelten Vorstellungen sollte man dann den juristischen Ratgeber aufsuchen.

Ich hatte ja bereits ausgeführt, dass es nicht unbedingt immer ein Notar sein muss. Dazu aber noch ein weiterer Hinweis:

Wer beispielsweise mit seinem Testament erreichen will, dass irgendeine Person - z. B. ein nicht eheliches Kind - nach Möglichkeit nie etwas erbt, und wer auch erreichen möchte, dass der Rechtsberater später seine Erben gegenüber diesem nicht ehelichen Kind vertritt, kann diesen Juristen nicht als Notar nehmen, denn er ist als Notar zur Neutralität verpflichtet und darf in der selben Angelegenheit später nicht anwaltlich tätig werden. Diese Frage sollte man also im Rahmen der ersten Beratung möglichst bald klären.

Wenn dann der juristische Berater Ihre Vorstellungen aufgenommen hat, ist es seine Aufgabe, diese Vorstellungen in eine juristische Form zu gießen und Ihnen zu erläutern, inwiefern Ihre Vorstellungen verwirklicht werden und inwiefern "Störfälle" auftreten können. Beispiel:

Eheleute haben ein behindertes Kind, das so dement ist, dass es von einer Erbschaft persönlich gar keinen Vorteil hätte. Eheleute wollen daher dieses Kind enterben. Der juristische Berater weiß hier einen anderen Weg, nämlich die Regelungen eines sogenannten Behindertentestamentes. Das Kind wird dabei in der Regel als Miterbe eingesetzt, jedoch nur als Vorerbe. Im Wege einer Testamentsvollstreckung wird sichergestellt, dass aus dem Nachlass nur Leistungen erbracht werden, die dem Kind persönlich gut tun und nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden. Nach dem derzeit noch geltenden Recht muss dabei der Erbteil so hoch angesetzt werden, dass er etwas über dem Pflichtteil liegt. Dabei ist zu überlegen, wie hoch der Pflichtteil im ungünstigsten Falle ist.

Weiteres Beispiel:

Ehemann mit vier Kindern verheiratet mit einer Frau mit einem Kind.

Testament:
"Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Erben des Längstlebenden sind unsere beiderseitigen Kinder zu gleichen Teilen, also je zu 1/5."

"Störfall": Der Ehemann verstirbt zuerst. Seine Kinder vertrauen auf das Testament. Ehefrau verstirbt danach. Die vier Kinder des Ehemannes möchten je 1/5 erhalten. Das Kind der Ehefrau kann sich auf seinen Pflichtteil von Einhalb berufen, braucht also nur die Hälfte abzugeben. Die vier Kinder des Ehemannes müssen sich also diese Hälfte teilen, bekommen also je 1/8 statt 1/5.

Auch hier weiß der Jurist Rat. Lösung ist hier entweder eine Vor- und Nacherbschaft oder ein sogenanntes Herausgabevermächtnis. Die Einzelheiten würden den Rahmen dieses Vortrages sprengen. Hier ist unbedingt juristischer Rat notwendig, denn der Längstlebende der Eheleute soll ja nach Möglichkeit auch noch gewisse Freiheiten in seiner Verfügung haben.

Die Vielfalt von Möglichkeiten, wie Sie im Einzelnen Ihr Testament gestalten können, kann nicht Gegenstand eines solchen Vortrages sein. Wir sollten es daher mit diesen Beispielen bewenden lassen. Die Beispiele zeigen aber auch, dass Ihr juristischer Berater den gesamten Sachverhalt kennen muß und sich viel Zeit nehmen muß, um Sie sachgerecht zu beraten.

Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten:

Viele von Ihnen werden sich mit dem Gedanken getragen haben, schon zu Lebzeiten Vermögen zu übertragen. Ich habe bereits auf die 10-Jahresfrist hingewiesen, die für die Schenkungs- und Erbschaftssteuer gilt. Dies ist vielfach auch schon Anlass, Übertragungen unter Lebenden vorzunehmen. Auch im Pflichtteilsrecht gibt es eine 10-Jahresfrist, die Anlass für eine Übertragung sein sollte. Beispiel:

Die Witwe W. hat einen Sohn S und eine Tochter T. Die Tochter kümmert sich um die Mutter, während der Sohn seine eigenen Wege geht. W. möchte, dass ihre Tochter das ganze Vermögen erhält, ohne Pflichtteilen ihres Bruders ausgesetzt zu sein. Sie möchte ihr Mehrfamilienhaus auf ihre Tochter T. übertragen, aber weiterhin dort wohnen und noch die Mieten erhalten. Sie bittet den Notar um den Entwurf eines Vertrages, worin sie den Grundbesitz auf Ihre Tochter überträgt und sich den lebenslangen Nießbrauch vorbehält.

Folge: Für die Schenkungs- und Erbschaftssteuer läuft die 10-Jahresfrist. Sind die 10 Jahre nach dem Vollzug des Vertrages vorbei, ist der Vorgang beim Finanzamt "vergessen". Für die Pflichtteile ist die Sache aber nicht "vergessen". Der Sohn S hätte im Falle des Todes seiner Mutter Pflichtteilsergänzungsansprüche. Die hierfür vorgesehene 10-Jahresfrist läuft nicht, wenn die Übertragung praktisch nur auf dem Papier stattgefunden hat, also die Mutter noch gar nicht das eigentliche "Opfer" erbracht hat. Die 10-Jahresfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche würde dagegen laufen, wenn die Wohnung der Mutter nicht die überwiegende Bedeutung in dem Hause hätte (oder erst recht: die Mutter in einen Seniorenwohnsitz ziehen würde), die Tochter das Haus vermieten würde und ihr eine lebenslange Leibrente zahlen würde. Dabei könnte die Leibrente durchaus so hoch sein, wie die Erträge bei einem vorbehaltenen Nießbrauch wären. Entscheidend ist, dass die Tochter das Haus im Wesentlichen innehat und insbesondere auch das Vermietungsrisiko trägt. Weiterer Vorteil dieser Regelung: Die Leibrente wird als Gegenleistung abgezogen. Würde die Mutter also innerhalb von 10 Jahren nach dem Vollzug des Vertrages versterben, würde nicht der volle Wert des Grundbesitzes für die Schenkungs- und Erbschaftssteuer von Bedeutung sein, sondern nur der Nettowert. Wenn die Mutter also noch weiteres Vermögen hinterlässt, kommt die Tochter nicht so leicht über den Freibetrag von derzeit 205.000,00 €. Beim Nießbrauch wäre diese Regelung übrigens nicht der Fall, sondern der Nießbrauch kann im Schenkungssteuerrecht nur zu einer Stundung eines Teils oder der ganzen Steuer führen. Sie wäre dann im Zeitpunkt des Todes der Frau fällig.

Der Notar wird in einem solchen Fall die Mutter noch auf etwas anderes hinweisen:

Er würde die Frage stellen, was geschehen soll, wenn die Tochter vor der Mutter verstirbt. Sollte beispielsweise die Tochter keine Kinder haben, möchte die Mutter, dass in diesem Fall der Grundbesitz an sie zurückfällt. Auch möchte die Mutter möglicherweise, dass der Grundbesitz nicht nur an sie, sondern sogar an ihren Sohn fällt, wenn die Tochter in Vermögensverfall gerät, also ein Insolvenzverfahren oder ein Zwangsversteigerungsverfahren eröffnet wird. Gegen solche "Störfälle" kann die Mutter sich bzw. die übrige Familie durch eine "Rückauflassungsvormerkung" sichern.

Allein dieses Beispiel zeigt, dass sich unter Umständen mit einer Übertragung von Vermögen unter Lebenden Steuern sparen lassen. Das gilt gegenwärtig bei Grundstücken noch aus einem weiteren Grund:

Im gegenwärtigen Schenkungs- und Erbschaftssteuerrecht werden Grundstücke mit einem Wert in Ansatz gebracht, der teilweise nur die Hälfte des tatsächlichen Wertes darstellt. Diese Regelung ist zwar nach der allgemein bekannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig, darf aber derzeit noch von den Finanzämtern angewendet werden. Nach überwiegender Rechtsansicht wird der Gesetzgeber kaum rückwirkend für die gegenwärtige Zeit seine Neuregelung schaffen. Es bestehen auch verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber dies tun könnte.

Es ist daher durchaus noch heute eine Überlegung wert,
Immobilien in den nächsten Monaten zu übertragen.

Wir wissen nicht genau, welche Regelungen wir bekommen. Bis vor kurzem galt als sicher, dass die Unternehmensnachfolge erleichtert werden soll. Ihnen allen wird aus der Presse das sogenannte Abschmelzungsmodell bekannt sein. Danach wird das sogenannte produktive Vermögen eines Unternehmens im Schenkungs- oder Erbfall zunächst nicht besteuert und jedes Jahr 10 % der darauf entfallenden Steuer erlassen. Man hat berechnet, dass diese Regelung zu einem Steuerausfall von jährlich etwa einer halben Milliarde Euro führen wird. In letzten Meldungen heiß es, dass das "Abschmelzungsmodell" wohl fallen gelassen werde und stattdessen hohe Freibeträge für Unternehmen kommen sollten. Es wird wohl bei dem Steuerausfall von einer halben Milliarde EURO bleiben. In der Politik besteht Einigkeit, dass diese fehlende halbe Milliarde im Rahmen des Erbschaftssteuerrechts ausgeglichen werden soll. Es wird zwar von den Politikern immer wieder verkündet, dass "Oma ihr kleines Häuschen" steuerfrei bleiben soll. Niemand hat aber bisher erklärt, wer denn nun wirklich "die Zeche zahlen soll". Deswegen ist es durchaus realistisch anzunehmen, dass auch bei der Übertragung von Immobilien trotz der Beteuerung vieler Politiker doch eher eine Steuer bzw. auch eine höhere Steuer entstehen wird, als nach dem bisherigen geltenden Recht. Wer also Grundbesitz hat, dessen Wert sich in der Nähe der gegenwärtig bestehenden Freibeträge bewegt und wer ohnehin erwägt, eine Übertragung vorzunehmen, für den wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber eine ganz dringende Warnung aussprechen:

Man sollte aus steuerlichen (übrigens auch aus sozialrechtlichen Gründen) nie etwas unternehmen, was man in Wirklichkeit nicht will. Die Erfahrung zeigt, dass die Wechselfälle des Lebens vielfach zu Situationen führen, die dann unbeherrschbar werden und geradezu zum Chaos führen. Es hat sich allgemein als sinnvoll erwiesen, den geraden ehrlichen Weg zu gehen, auch wenn etwas mehr Steuer entsteht.

Ich hoffe, mit diesen Ausführungen Ihnen bei Ihrer Entscheidung, inwiefern Sie Ihre Vermögensnachfolge regeln wollen, und wie Sie dabei vorgehen wollen, etwas geholfen zu haben. Ich stehe selbstverständlich auch für Fragen zur Verfügung, möchte jedoch nochmals darauf hinweisen, dass diese Veranstaltung nicht dazu da ist, Ihre speziellen Rechtsfälle zu lösen. Sie sollten sich mit Ihren Fragen an denjenigen Juristen wenden, zu dem Sie persönliches Vertrauen haben und dem Sie auch die Kompetenz zur umfassenden Beratung zutrauen. Dabei spricht es eher für einen juristischen Berater, wenn er offen sagt, dass er noch einen weiteren Fachmann hinzuziehen möchte - beispielsweise einen Steuerberater oder vielleicht einen Fachmann für internationales Privatrecht, vielleicht auch nur einen "einfachen" Fachanwalt für Erbrecht. Niemand kann im Bereich der Vermögensnachfolge alles wissen. Wer das von sich behaupten würde, wäre für Sie kein guter Berater.

Abschließend möchte ich Sie vor allen Dingen auch davor warnen, sich aus dem Internet oder irgend welchen Formularbüchern Ihr Wissen zu holen und dann zu glauben, Sie könnten auch nach monatelangem Studium zu Ihrer sachgerechten Lösung kommen. Ich habe nur einmal erlebt, dass ein Nicht-Jurist ein Testament wirklich formvollendet formuliert hat. Ansonsten ist mir solch ein Fall noch nicht vorgekommen. Sollten Sie sich in diesem Zusammenhang überschätzen, könnte es Ihnen gehen, wie dem Mann, von dem ein rheinischer Notar, der von mir sehr verehrte Herr Prof. Brambring sinngemäß Folgendes berichtet hat (stimmt natürlich nicht):

Ein Bekannter berichtete ihm, er habe sich ein Formularbuch gekauft und wolle sein Testament mit der Hand schreiben. Er bat ihn, sich den Entwurf einmal anzusehen. Im Entwurf stand dann:

"Ich setze hiermit meine liebe Frau ... als meine Vorerbin ein. Nacherben zu gleichen Teilen sind der Wilhelm Schmitz und der Jupp Schmitz."

Frage: "Wer sind denn Wilhelm und Jupp Schmitz? Die kenne ich ja gar nicht. Ich kenne doch Deine Familie!"

Antwort: "Die kenne ich auch nicht, das stand aber so in dem Formularbuch."

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Hans Gerd Findeklee,
Rechtsanwalt und Notar a.D.
Fachanwalt für Erbrecht
Mediator